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KlimaanpassungDas Ahrtal - zurück in die Zukunft

links ein Fluss, daneben ein haus auf dem "Flutwein" steht sowie "Flut-Foto-Ausstellung" und Markierung "9,24 m"
In normalen Zeiten ist die Ahr weniger als einen Meter hoch. In der Flutnacht stieg das Wasser - wie hier in Marienthal - auf über neun Meter an (Foto: Manuel Grisard)

Zwischen verfehltem Wiederaufbau und Aufbruch in eine klimaresiliente Modellregion steht das Ahrtal am Scheideweg. Nach der Flutkatastrophe von Juli 2021 fehlten die Mittel. Inzwischen gibt es Lichtblicke.

26.04.2024 – Es ist ein langwieriger Prozess. Die Straße zur ehemaligen Ahrtorbrücke in Bad Neuenahr-Ahrweiler führt weiter ins Nichts. Eine provisorische Behelfsbrücke des Technischen Hilfswerks sorgt dafür, dass Menschen über die Ahr kommen. Auch das Feuerwehrgebäude, links der Brücke, ist seit der Flutkatastrophe von Juli 2021 unbenutzbar. Gut zweieinhalb Jahre nach dem Hochwasser sind die Schäden entlang des Flusses noch immer sichtbar. Wie wird das Ahrtal wieder aufgebaut? Werden Mensch und Infrastruktur künftig besser vor extremen Hochwasserlagen geschützt? Für Ahrtorbrücke und Feuerwehrgebäude in Bad Neuenahr-Ahrweiler gibt es entsprechende Planungen, anderes steht noch in den Sternen.

Tanja Nietgen arbeitet beim Institut für qualifizierende Innovationsforschung und -beratung und koordiniert in Rheinland-Pfalz das Projektbüro von KAHR – KlimaAnpassung, Hochwasser und Resilienz – einem Verbund aus wissenschaftlichen Instituten und regionalen Akteuren, die den Wiederaufbauprozess begleiten. Und Nietgen ist persönlich Betroffene der Flutkatastrophe. Bei einem Rundgang durch Ahrweiler zeigt sie ihr ehemaliges Haus – etwa 150 Meter vom Flussbett der Ahr entfernt – indem sie bis zur Nacht der Flutwelle vom 14. auf den 15. Juli 2021 mit ihrer Familie lebte. „Noch am Abend fuhren Autos mit Lautsprechern durch die Straßen, mit dem Aufruf, alle in Ufernähe stehenden Fahrzeuge umzuparken. Mehr an Warnung gab es in unserem Umfeld zunächst nicht. Angesichts der folgenden Katastrophe eine Farce“, so Nietgen.

In Schüben kam das Wasser dem Haus immer näher und die Familie beschloss, wichtige Unterlagen, technische Geräte und schließlich sich selbst in die oberen Etagen des Hauses zu retten. Erst gegen 23 Uhr rief der Kreis Ahrweiler die höchste Warnstufe aus und die Evakuierung von Häusern im Umkreis von 50 Metern der Ahr. Doch da drückte das Wasser auch schon in das Haus der Nietgens hinein. „In mehreren Wellen stieg das Wasser bis kurz vor die erste Etage. Weiter ging es nicht. Wir hatten Glück im Unglück“, sagt Nietgen. Andere traf es schlimmer. In Kreuzberg, Altenburg und Marienthal mussten die Menschen aus ihren zweistöckigen Gebäuden bis aufs Dach flüchten, um schließlich mit Hubschraubern gerettet zu werden. In Marienthal stieg das Wasser auf über neun Meter an – in normalen Zeiten ist die Ahr weniger als einen Meter hoch. Mindestens 135 Menschen starben im Ahrtal infolge der Flutkatastrophe, eine Person wird weiterhin vermisst.


Der Mensch

Was macht das mit den Menschen? Wer zog weg, wer blieb, und warum? Fragen, die sich auch Wissenschaftler im Rahmen des KAHR-Projektes stellen. In Zusammenarbeit mit dem Landkreis Ahrweiler befragten Forscher des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung an der Universität Stuttgart und des Instituts für Umweltwissenschaften und Geographie an der Universität Potsdam ein Jahr nach der Flutkatastrophe 516 Haushalte im Ahrtal, die Wiederaufbauhilfe beantragt hatten. Das deutliche Ergebnis: 88,4 Prozent der Menschen mit Eigentum planen, in ihren Häusern zu bleiben. 60,5 Prozent sind es selbst bei denen, die zur Miete wohnen. Viele konnten bereits wenige Monate nach der Flut in ihre Häuser zurückkehren. „Über 50 Prozent der Menschen, die sich fürs Bleiben entschieden, gaben an, dass sie sich sehr stark an ihrem Wohnort verwurzelt fühlen“, sagt Alessa Trüdinger, Hauptautorin der Studie. Ebenfalls 50 Prozent sagten, dass sie einen Umzug nicht als notwendig erachten, weil solch eine Flut selten vorkommen würde.

Doch Forscher der World Weather Attribution erklärten bereits kurz nach der Flutkatastrophe, dass die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle durch den Klimawandel um das 1,2 bis 9-Fache zunimmt und sich deren Intensität zwischen 3 und 19 Prozent erhöht, wobei die Forscher die oberen Enden der Skalen für wahrscheinlicher halten. Unter bisherigen Bedingungen sei eine Flutkatstrophe in der Region alle 400 Jahre möglich. Doch mit einer von den Wissenschaftlern zugrunde gelegten Globalen Erwärmung von 1,2 Grad, könnte ein solches Ereignis sogar alle 50 Jahre eintreten. Und die Klimakrise wird sich weiter zuspitzen. Die Meere sind im Hitzestress. Steigende Meerestemperaturen erhöhen die Verdunstung, was zu feuchterer Luft führt. Eine Zunahme der Meeresoberflächentemperatur von einem Grad, hat rund sieben Prozent mehr Niederschlag zur Folge.

Tanja Nietgen hat mit ihrer Familie entschieden, Ahrweiler und das Haus zu verlassen, in dem schon ihre Eltern lebten: „Selbst wenn zu meinen Lebzeiten eine solche Katastrophe nicht mehr eintreten sollte, meinen Kindern, die einmal das Haus erben, will ich solch ein Risiko nicht zumuten.“ Nietgen hatte Glück. In der nahe gelegenen Gemeinde Grafschaft fand sie eine neue Heimat. Andere hingegen, die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds erhielten, fanden teilweise keine passenden Häuser und Grundstücke in der Umgebung, um abseits hochwassergefährdeter Gebiete ein neues Leben aufzubauen. Für rund 15 Prozent der Befragten in der Studie mit ein Grund, im Ahrtal zu bleiben.

Die Initiative „Ahrtal wird Solahrtal“ versucht, den Wiederaufbau mit der Energiewende zu verbinden, mit einer neuen und nachhaltigen Strom- und Wärmeversorgung. Sie empfehlen, dafür zehn Millionen Euro aus dem 30 Milliarden umfassenden Wiederaufbau-Fonds einzusetzen. Die Verantwortlichen im Kreis Ahrweiler unterstützen das Anliegen. Doch die zuständige Landesregierung Rheinland-Pfalz erklärte noch im Sommer 2023, dass im „Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz 2021“ keine Mittel für entsprechende Energiewende-Maßnahmen vorgesehen seien.

So wurden in vielen zerstörten Gebäuden wieder Gasthermen verbaut. Öl sorgte während der Flut für erhebliche Kontaminierungen. Entsprechende Heizungssysteme durften eigentlich nicht mehr verbaut werden. In Erwartung von nachhaltigen Lösungen, setzten einige Ahrtal Bewohner aber übergangsweise erneut auf Öl zum Heizen. In Marienthal nahmen die Dorfbewohner ihr Schicksal selbst in die Hand und konnten, dank Spenden und EU-Fördermitteln, weniger als anderthalb Jahre nach der Flut ein mit Pellets betriebenes Heizwerk errichten, an das 33 Häuser des Dorfes angeschlossen wurden, in denen vorher Ölheizungen liefen.


Der Tourismus

Wer auch im Ahrtal bleiben will und nach Ansicht vieler soll, sind Betreiber touristischer Einrichtungen. „Die Ahr und ihre Fahrradwege waren einmal ein Tourismusmagnet. Die Menschen kamen für eine Woche an den Fluss und sind diesen rauf- und runtergefahren“, erinnert sich Nietgen. Die Flutkatastrophe aber hat 60 Prozent der Fahrradwege sowie viele Hotels und Gaststätten zerstört. Zwar haben einige Betriebe nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen wieder geöffnet, doch Bettenkapazitäten und Anzahl der Restaurants sind noch weit entfernt vom Vorflut-Niveau.

Der Tourismus aber war der wichtigste Wirtschaftszweig des Ahrtals. Und soll es wieder werden. Alte und neue Fahrradwege befinden sich bereits im Bau. In Marienthal sollen bis Mai 2025 eine neue Wegführung und zwei Brückenbauwerke entlang der Bahntrasse für ein Erlebnis auf dem Fahrrad sorgen. Ab 2026 soll ein Großteil des gesamten Ahr-Radwegs wieder befahrbar sein. Dazu soll es einen besseren ÖPNV und autofreie Ortskerne geben. Weniger Parkplätze für Autos würden weniger versiegelte Flächen und mehr Platz für den Fluss bei Hochwasser bedeuten.

Für solche Konzepte essenziell ist der Wiederaufbau der Ahrtalbahn, die die Flut fast vollständig zerstörte. Verantwortlich ist die Deutsche Bahn. Und die macht nach eigenen Angaben „die Ahrstrecke fit für die Zukunft“. Zuvor mit Dieselloks betrieben, werde die gesamte Strecke elektrifiziert, mit moderner Leit- und Sicherungstechnik ausgestattet und größtenteils zweigleisig. Das soll künftig einen 20-Minuten Takt auf der Strecke ermöglichen. Für den Tourismus ein Pluspunkt. Einen Vorteil beim Hochwasserschutz sollen 13 neue und acht sanierte Brücken, die Sanierung aller weiterer Stützbauwerke und Durchlässe sowie neue Bahndämme bieten. Bei Bauwerken über den Fluss soll, soweit möglich, auf Mittelpfeiler verzichtet werden.


Die Brücken

Experte für Brücken in hochwassergefährdeten Gebieten ist Holger Schüttrumpf, Professor am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen und Sprecher des KAHR-Projekts. „Die sogenannte Verklausung vieler Brückenbauwerke im Ahrtal sorgte dafür, dass die Hochwasserwelle 2021 um bis zu drei Meter erhöht wurde“, so Schüttrumpf. Viele alte, teilweise denkmalgeschützte Brücken hatten mehrere Brückenpfeiler über den Fluss. Daran sammelte sich in der Flutnacht immer mehr Treibgut – von Frisch- und Totholz bis hin zu Autos und Wohnwagen. Das Wasser staute sich an den Brücken, überschwemmte die Umgebung. Dann brachen viele der Brücken zusammen und gigantische Flutwellen wurden weiter flussabwärts getrieben, mit allem, was sich vorher an den Brücken angesammelt hatte.

Rund 50 Prozent aller Brücken im Ahrtal wurden zerstört. „Und noch ist keine der Brücken wieder aufgebaut“, sagt Schüttrumpf. So wie die ehemalige Ahrtorbrücke in Bad Neunahr-Ahrweiler. Dort steht immerhin fest: Sie soll resilient gegenüber künftigen Hochwasserlagen gebaut werden. Rund 50 Prozent aller Brücken im Ahrtal wurden zerstört. „Und noch ist keine der Brücken wieder aufgebaut“, sagt Schüttrumpf. So wie die ehemalige Ahrtorbrücke in Bad Neunahr-Ahrweiler. Dort steht immerhin fest: Sie soll resilient gegenüber künftigen Hochwasserlagen gebaut werden.


Die kritische Infrastruktur

Brücken sind nicht nur elementar für den täglichen Bedarf der Menschen im Ahrtal, sondern auch Teil der kritischen Infrastruktur. Bei einer Katastrophe wie im Sommer 2021 fehlt es bei zerstörten Brücken an Versorgungs- und Rettungswegen. Auch Straßen, die Energie- und Wasserversorgung, Krankenhäuser und Feuerwehr gehören dazu. Viele der Einrichtungen lagen und liegen direkt an der Ahr, wie das Feuerwehrhaus neben der Ahrtorbrücke. Dieses soll – hochwasserresilient – auf der anderen Seite des Flusses neu gebaut werden. Zwar wieder in Sichtweite der Ahr, aber mit einer Wiesenfläche als natürlichem Schutzraum davor und auf Stelzen.

Beim Neubau von Gebäuden und Kritischen Infrastrukturen wie der psychiatrischen Anstalt Ehrenwall'sche Klinik in Ahrweiler dagegen, werde das sich im Klimawandel verändernde Hochwasserrisiko zu wenig berücksichtigt, kritisiert Jörn Birkmann, Professor für Raumplanung an der Universität Stuttgart und ebenfalls Sprecher des KAHR-Projekts: „Teile der Klinik werden von der Ahr gesehen nach hinten versetzt, um dem Fluss mehr Raum zu verschaffen und ein gewisser Hochwasserschutz eingebaut. Aber es bräuchte eine strategische Planung, Klinikgebäude und Kritische Infrastrukturen grundsätzlich weiter weg von der Ahr wieder aufzubauen.“ Auch für die direkt an der Ahr gelegene und in weiten Teilen zerstörte Levana-Förderschule in Ahrweiler fehlt bislang ein Konzept für den Wiederaufbau. Birkmann findet, dass die Fördertatbestände und Fördergelder aus dem Wiederaufbaufonds sogar erhöht werden sollten, wenn nachweisbar klimaresilient gebaut wird, etwa an einem anderen Standort.

Eine positive Richtung nimmt der Wiederaufbau der Stromversorgung. „Gemeinsam mit dem örtlichen Verteilnetzbetreiber Westnetz haben wir einen Leitfaden entwickelt, der den Aufbau einer resilienten Stromversorgung auch bei Hochwasserlagen sicherstellen soll“, sagt Alessa Trüdinger. Ortsnetzstationen etwa sollen außerhalb von Überschwemmungsgebieten gebaut, Kabel unterirdisch verlegt und Hausanschlüsse nicht mehr im Keller, sondern an der Hauswand und Obergeschossen installiert werden. Auch die Digitalisierung soll vorangetrieben werden, so dass Teile der Netze bei Hochwasserlagen punktgenau vom Netz genommen oder am Netz gehalten werden können.


Die Retention

Neben den Brücken sorgten die teils dichte Bebauung, versiegelte Flächen und der Weinanbau für das verheerende Ausmaß der Flut. Senkrecht am Hang legen die meisten Winzer ihre Weinreben an, vor wie nach der Flut. So fließt bei Starkregen das Wasser ungehindert den Berg hinab und sorgt für ein kritisches Ansteigen der Ahr. Einige Winzer haben den Anbau inzwischen umgestellt. Quer zum Hang liegende Weinreben und Grasbepflanzung sorgen für natürliche Rückhalteräume, wo sich das Regenwasser sammeln und versickern kann. Für wirksamen Hochwasserschutz aber braucht es an manchen Orten weniger Weinanbau. Für die Winzer wäre das ein immenser Verlust. Denn sie würden deutlich weniger Geld für die Bereitstellung von Flächen zur Retention erhalten, im Vergleich zum ursprünglichen Kaufpreis. Dasselbe gilt für viele Heimbesitzer, deren Häuser und Grundstücke an der Ahr nach der Flut an Wert verloren. So stehen zu wenig Mittel zur Verfügung, um sich an einem anderen Ort ein neues Leben aufzubauen. Auch diese Grundstücke könnten dem Hochwasserschutz zugutekommen, wenn sie an der Ahr nicht neu bebaut werden.

Der Begriff Retention beschreibt in der Wasserwirtschaft Schaffung und Bau natürlicher wie technischer Rückhalteräume, die das Ausmaß von Hochwasserlagen abmildern. Die Suche nach solchen Rückhalteräumen läuft. Bis Ende des Jahres sollen mögliche Standorte identifiziert werden. „Dann erst geht es in den Genehmigungsprozess. Bis einige der Projekte wirklich realisiert sind, dauert es sicherlich zehn bis zwanzig Jahre“, so Holger Schüttrumpf. Noch schwieriger als die Debatten mit Winzern über die Freigabe von Flächen für natürliche Rückhalteräume wird die Realisierung technischer Möglichkeiten.

„Das Ahrtal ist ländlich, naturnah, mit vielen Flächen, wo Wasser versickern und relativ schadfrei abfließen kann. Und trotzdem gab es aufgrund der Wassermassen diese schwere Flut. Daher sind auch technische Rückhalteräume unabdingbar“, sagt Jörn Birkmann. Rückhaltebecken wären eine Lösung. Eine Stauanlage hält bei kritischen Wetterlagen die Wassermassen zurück. „Angesichts der Flutkatastrophe und Topographie aber braucht es zum Teil große Rückhalteräume und hohe Stauanlagen. Für einige Gemeinden ist das ein Problem. Sie fürchten eine Verschandelung ihrer Landschaft. Jeder will Hochwasserschutz, aber wenn es ans Eingemachte geht, befürchte ich, dass jeder mit dem Finger auf den nächsten zeigen wird.“


Das Geld

Von den rund 30 Milliarden Euro, die Bund und Länder den betroffenen Kommunen der Starkregenereignisse und Hochwasserlagen zur Verfügung stellt, sollen rund 15 Milliarden Euro nach Rheinland-Pfalz und das meiste davon ins Ahrtal fließen. Doch davon wurden bis Anfang 2024 gerade mal zwei Milliarden ausgegeben. Gelder, die ursprünglich einmal als Soforthilfe für zwei Jahre gedacht waren. Bund und Länder haben den Antragszeitraum inzwischen bis 2026 verlängert. Ein Problem bislang: Die Menschen im Ahrtal wollen Energiewende und besseren Hochwasserschutz, dafür aber waren die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds nicht vorgesehen.

„Andere Bundesländer haben Gelder unter der Prämisse eines baugleichen Wiederaufbaus zerstörter Strukturen bereitgestellt. Schadensersatz und Wiederaufbau waren die Kerngedanken, weniger der Neu- und Umbau zu einer Modellregion für Klimaanpassung und Klimaschutz. Einige Akteure hatten wohl auch die Befürchtung, dass das Ahrtal dann andere Kommunen überstrahlt“, sagt Birkmann. In den letzten anderthalb Jahren wurden die Fördertatbestände erweitert. Künftiger Hochwasserschutz hat inzwischen mehr Gewicht in den genehmigten Projekten aus dem Wiederaufbaufonds. Auch dank der Verantwortlichen des KAHR-Projektes, die die Politik immer wieder auf die Missstände hinweisen, unbequeme Fragen stellen und wissenschaftliche Empfehlungen geben.

Bei Klimaschutz-Maßnahmen ist das in weiten Teilen noch nicht der Fall. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz aber denkt inzwischen um und fördert, abseits der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds, die Energiewende im Ahrtal. Anfang des Jahres wurde in Rech ein Nahwärmenetz in Betrieb genommen, das oberflächennahe Geothermie mittels Erdsonden für die Wärmeversorgung nutzt. Gefördert wurde das Projekt mit fast zwei Milliarden Euro vom Land und der Europäischen Union. Weitere Gemeinden im Ahrtal entwickeln mit Fördergeldern ebenfalls klimafreundliche Nahwärmekonzepte.

Wie das Land Rheinland-Pfalz auf Anfrage mitteilte, unterstütze man den Wunsch der Kommunen, künftig mehr Nachhaltigkeit beim Wiederaufbau zuzulassen. Bei der Änderung von Normen stellen sich Bund und Länder aber bislang quer. Dabei sind sich zumindest im deutschen Bundestag viele Vertreter demokratischer Parteien einig, dass für klimafreundliche Energiekonzepte mehr Mittel aus dem Wiederaufbaufonds fließen sollen, ebenso wie für die Förderung energetischer Standards und die Verlegung von Gebäuden an hochwassersichere Standorte.

Ein entsprechender Antrag der CDU/CSU Bundestagsfraktion fand grundsätzlich auch bei Abgeordneten der Ampel-Fraktion Zustimmung. Aus dem Ahrtal ist zu hören, dass der Wiederaufbau 2024 voll durchstarten wird. Die unbürokratische Freigabe milliardenschwerer Mittel aus dem Wiederaufbaufonds – auch für Klimaschutz und -anpassung – könnten der Entwicklung zusätzlich Schwung verleihen. Manuel Grisard

Der Artikel ist Teil der neuen Magazin-Ausgabe der energiezukunft: Strategien in der Klimakrise - Stadt, Land, Fluss neu denken. Das Magazin erscheint am Montag den 29.04.2024: https://www.energiezukunft.eu/service/magazine/


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Kommentare

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Eva Leyst 02.05.2024, 12:44:38

Eine der Maßnahmen, die es brauchen wird, um das Leben in den Flusstälern im Rheinumfeld möglich zu machen, ist eine große Umstrukturierung, an der alle mitwirken könnten, die an den Hängen Land besitzen, also vor allem Weinbauer und Waldbesitzer (inkl. die öffentliche Hand). Es ist der schrittweise Umbau zum Terrassenbau. Dieser würde zwei Probleme beseitigen, 1. das rasend schnelle Abfließen von Regenwasser von den Hängen unter Erosion und Überlastung der Wasserläufe, 2. den Wassermangel in heißen Sommermonaten. Dies gilt für Weinberge und Wald gleichermaßen.

Terrassenbau ist eine der genialsten Methoden zur Wasserwirtschaft am Hang, ob in Mittelamerika, Nepal oder China. Sogar die Nutzung von Maschinen im Weinbau, die auf den ersten Blick unmöglich erscheint, wäre möglich mit Seilbahn-gestützten Transportmitteln. Inzwischen geht die Landwirtschaft dort, wo es möglich ist, zum Pflügen quer zum Hang über; es ist also verstanden worden, dass die Nutzpflächen nicht den Elementen ausgeliefert werden dürfen.


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