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Verfehlte VerkehrswendeDeutschland drohen Kosten in Milliardenhöhe

Viele Autos, halb zugeparkte Busspur und eine Frau mit Kind auf einem Fahrrad
Der ganz normale Wahnsinn auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln (Bild: Wolfram Däumel, däumel.de, CC BY-SA 3.0 DE)

In Deutschland wurden die Sektorziele für den Verkehr abgeschafft. Auf europäischer Ebene aber drohen, wegen fehlender Sofortmaßnahmen vom Bundesverkehrsministerium, Kosten in Milliardenhöhe.

21.06.2024 – Als Schlusslicht in Europa müsste Deutschland bis zu 16,2 Milliarden Euro für Emissionszertifikate aufwenden, um die eigenen Verfehlungen in fünf Schlüsselsektoren für den Klimaschutz - insbesondere im Verkehrsbereich - auszugleichen. Das ist das Ergebnis einer Studie der europäischen Umweltorganisation Transport & Environment (T&E).

Analysiert hat T&E die Entwürfe für die nationalen Klimapläne (NECPs) der europäischen Mitgliedsländer. Mit dem Ergebnis, dass ohne Sofortmaßnahmen, zwölf EU-Länder ihre nationalen Klimaziele im Rahmen der Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, kurz: ESR) verfehlen werden. Solche Verfehlungen sind an Zahlungen gebunden. So muss Deutschland Milliarden aufwenden, um Emissionszertifikate von anderen Ländern abzukaufen, die aufgrund einer Übererfüllung ihrer Ziele einen Überschuss an Zertifikaten haben.

Gemäß der Lastenteilungs-Verordnung müssen die Mitgliedstaaten Klimaziele in fünf Schlüsselsektoren erfüllen: Straßenverkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft. Die Ziele wurden entsprechend dem BIP eines Landes festgelegt, wobei reichere Länder höhere Emissionsreduktionsziele erfüllen müssen. Die Preise für die Emissionszertifikate werden bilateral zwischen ver- und aufkaufenden Ländern festgelegt. Der von T&E für die Analyse zugrunde gelegte Zertifikatspreis liegt bei 129 Euro. Das ist der von Bloomberg für die ETS-Sektoren im Jahr 2030 prognostizierte Kohlenstoffpreis, der zudem den Annahmen im deutschen Projektionsbericht nahe kommt.

Dabei könnte es sogar zu einer Verknappung der Zertifikate kommen, was die Preise weiter in die Höhe treibt. Denn laut Analyse, würden allein Deutschland und Italien alle überschüssigen Zertifikate benötigen. Für Alle Sektoren zusammen gilt ein Emissionsreduktionsziel von Minus 40 Prozent bis 2030 (im Vergleich zum Stand von 2005). Laut Analyse der NECPs von T&E aber, kommen die EU-Staaten gemeinsam nur auf ein Reduktionsziel von 35,5 Prozent bis 2030.

Das liegt nicht an Spanien, die der Analyse nach bis zu 10 Milliarden Euro von Ländern erhalten könnten, die nicht auf Kurs sind. Neben der Energiewende ist Spanien auch bei der Verkehrswende weiter als viele europäische Nachbarn. Seit 2021 ist in spanischen Städten Tempo 30 vorgeschrieben. Weniger Lärm und Unfälle sind die Hauptgründe für diesen Schritt. Laut dem deutschen Umweltbundesamt sorgt Tempo 30 aber auch für bessere Luft in den Straßen.

In einigen spanischen Städten war schon zuvor eine Begrenzung der Geschwindigkeit in Kraft. In Barcelona werden zunehmend mit sogenannten Superblocks Autos aus ganzen Vierteln herausgehalten. Die galizische Stadt Pontevedra gilt ohnehin als Vorzeigemodell in Sachen Verkehrsberuhigung. Dort wurden Autos seit 1999 ganz aus dem Zentrum der Stadt verbannt. Und seit 2023 gilt, dass spanische Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern Zonen einrichten müssen, in denen besonders klimaschädliche Fahrzeuge nicht mehr fahren dürfen.

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In Deutschland gibt die kürzlich erzielte Einigung zwischen Bundesrat und Bundestag zur Reform des Straßenverkehrsgesetzes künftig Kommunen mehr Spielraum bei der Einrichtung von Tempo 30 Zonen, sowie der Schaffung autoreduzierter oder -freier Räume. Neben der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs, sind im Straßenverkehrsrecht nun auch die Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung maßgebend.

Doch auf weitere Maßnahmen, wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, deutlich mehr Geld und Maßnahmen für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, sowie Fahrradinfrastruktur und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen im Verkehrsbereich, warten Umweltverbände weiter vergeblich.

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Schlimmer noch: Mit der kürzlich beschlossenen Abschaffung Sektor scharfer Ziele im Klimaschutzgesetz, muss das Bundesverkehrsministerium kein Sofortprogramm mehr auflegen, um die Klimaziele im Verkehrsbereich einzuhalten. Umweltverbände und Rechtsexpert:innen meldeten bereits verfassungsrechtliche Bedenken an.

Laut T&E ist der Verkehrssektor Hauptverantwortlich für Deutschlands drohende Verfehlung der Klimaziele auf EU-Ebene. Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation in Deutschland sagt: "Die von der FDP geforderte Novelle des KSG war letztendlich nicht mehr als ein Taschenspielertrick. Für das, was Volker Wissing mit der populistischen Androhung von Fahrverboten durchgesetzt hat, könnten am Ende die deutschen Steuerzahler die Zeche zahlen." Um das zu verhindern, müsse der Verkehrsminister jetzt ein ambitioniertes Sofortprogramm vorlegen, um den Straßenverkehr schnellstmöglich zu elektrifizieren und die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr zu einer echten Alternative auszubauen. mg

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