Bauwende - KreislaufwirtschaftSchlechtes Fazit für ein Jahr Ersatzbaustoff-Verordnung

Mann in gelber Arbeitsjacke steht vor einer Abriss-Baustelle
Wohin mit dem Bauschutt? Die Ersatzbaustoffverordnung soll die Kreislaufwirtschaft am Bau fördern und den Einsatz von Recyclingbaustoffen erhöhen. (Foto: Marek Studzinski on Unsplash)

Die Ersatzbaustoffverordnung sollte die Kreislaufwirtschaft am Bau fördern. Die Ziele wurden verfehlt, so das Fazit der Akteure nach einem Jahr, das liege vor allem an überbordender Bürokratie und fehlender Marktakzeptanz für Sekundärbaustoffe.

03.09.2024 – Nach über 15 Jahren Diskussion trat am 1. August 2023 die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) in Kraft. Sie sollte die Kreislaufwirtschaft am Bau fördern und den Einsatz von Recyclingbaustoffen erhöhen. Denn mineralische Bauabfälle sind mit über 220 Millionen Tonnen die größte Abfallmenge in Deutschland, berichtet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Eine aktuelle Umfrage von vier Bau- und Recyclingverbänden unter ihren Mitgliedsunternehmen zeige, dass das Ziel der EBV bisher nicht erreicht wurde. Nur fünf Prozent der Befragten (156 Firmen) gaben an, dass seither mehr Bauschutt- und Bodenaushub recycelt werde, 52 Prozent sahen keine Veränderung – und 42 Prozent der Betriebe erklärten, dass weniger für die Wiederverwertung aufgearbeitet werde als zuvor, berichtet der Branchenverband.

Kein Vertrauen in Recyclingmaterial

Als Hauptgrund nannten die Unternehmen, dass die meisten Ersatzbaustoffe noch immer als Abfall klassifiziert werden müssen und nicht den Status eines Bauprodukts erhalten. Obwohl Recyclingbaustoffe qualitativ ebenso gut sind wie neue Baustoffe, schrecke der reine Begriff „Abfall“ viele Auftraggeber ab. Auch Länder und Kommunen wollen weiterhin in vielen Fällen nicht mit Recyclingmaterialien bauen, berichteten die Unternehmen.

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Bürokratischer Aufwand zu hoch

Generell monierten die befragten Unternehmen große Unsicherheiten bei der Umsetzung der Anforderungen in der Praxis und einen hohen bürokratischen Aufwand. Insbesondere die umfangreichen Dokumentationspflichten des Verwenders, die Haftungsfrage und Risikoverlagerung führten demnach dazu, dass Ersatzbaustoffe nicht ausgeschrieben und stattdessen Primärbaustoffe genutzt würden.

Umfrage zeigt: Verordnung spiegelt nicht die Praxis

Der Deutsche Abbruchverband (DA) hatte gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe (BGRB) den Bericht erstellt. Die Verbände repräsentieren die gesamte Bandbreite der Bau- und Abfallbranche sowie der Aufbereitungs- und Entsorgungswirtschaft und hatten ihre Unternehmen mehrfach (Sept. 2023, Februar und Juni 2024) mit Umfragen zur EBV begleitet, um so ein aussagekräftiges Bild über das erste Jahr Ersatzbaustoffverordnung zu gewinnen.

Ihr Fazit: Um die vollen Potenziale der EBV zu nutzen, wären weitere Anpassungen und Verbesserungen erforderlich. Eine zeitnahe Umsetzung des Produktstatus aller mineralischer Ersatzbaustoffe, die Förderung der Marktakzeptanz von Ersatzbaustoffen, aber auch die Verringerung des Dokumentations- und Bürokratieaufwandes sowohl für Hersteller als auch für Verwender von mineralischen Ersatzbaustoffen wären von entscheidender Bedeutung, so die Branchen-Verbände.

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Praxistaugliche Regelungen um Marktakzeptanz schaffen

Es brauche einfache, zeitnahe und unbürokratische Regelungen, sagt Andreas Pocha, Geschäftsführer Deutscher Abbruchverband. Insbesondere müsste rechtlich verankert werden, dass alle Ersatzbaustoffe der EBV das Abfallende erreichen und einen Produktstatus erlangen können. „Denn nur so ist das Ziel der EBV durchsetzbar, eine Marktakzeptanz für die nach EBV güteüberwachten und zertifizierten mineralischen Ersatzbaustoffe gegenüber den derzeit noch bevorzugten Primärbaustoffen zu schaffen“, meint Pocha.

Eine echte Kreislaufwirtschaft ist ohne den Produktstatus aller mineralischen Ersatzbaustoffe schlicht nicht möglich., konstatiert der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe Felix Pakleppa. Länder und Kommunen müssten Farbe bekennen und sich zum Bauen mit Recyclingmaterial verpflichten. „Nur so können wir langfristig die Marktakzeptanz erhöhen und unsere Abhängigkeit von Primärrohstoffen verringern.“

Ziel muss sein, mehr Rohstoffe im Kreislauf zu halten

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sieht es so: Statt für mehr Kreislaufwirtschaft am Bau zu sorgen, werde ein Jahr nach Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung weniger recycelt, mehr Rohstoffe auf die Deponie gefahren und die Kosten hätten sich für alle erhöht. „In der Privatwirtschaft würde ein solches System sofort beerdigt, bei der Bundesregierung kann nur die ewige Hoffnung auf Besserung trösten“, so Müller. „Anstatt langwieriger Prozesse und noch mehr Bürokratie muss endlich der Produktstatus für Recycling-Materialien aller drei Güteklassen kommen und der kategorische Ausschluss von Ersatzbaustoffen in öffentlichen Ausschreibungen fallen.“ Schließlich müsste es doch das Ziel sein, mehr Rohstoffe im Kreislauf zu behalten.

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Überbordende Bürokratie bremst freie Wirtschaft und Innovationskraft

Auch die Geschäftsführung BGRB Katrin Mees sieht vor allem den bürokratischen Aufwand als große Hürde. Die Einführung der EBV habe den Dokumentationsaufwand und die Bürokratie erheblich erhöht. Unternehmen müssten nun immense Zeit- und Kostenressourcen für Analysen aufwenden. „Die Zusammenarbeit mit den Behörden stellt sich in vielen Fällen als schwierig dar“, erläutert Mees. Behördenvertreter wären oft schlecht informiert und könnten bei der Umsetzung der EBV-Vorgaben selten helfen. „Um die Kreislaufwirtschaft erfolgreich voranzubringen, ist eine gute Kommunikation mit den Behörden dringend erforderlich, damit die Branche handlungsfähig bleibt und nicht durch administrative Hürden ausgebremst wird.“ na

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