Wirtschaftsministerium blockiertLieferkettengesetz droht zur Farce zu werden

Eingestürzte Textilfabrik in Bangladesh.
Wie hier in Bangladesh kam es schon öfter zu einstürzenden Fabriken. Textilfabriken, in denen auch Kleidung für Europa hergestellt wird. Der Schutz der Arbeiter zählt dort bislang wenig. (Bild: rijans /flickr.com, CC BY-SA 2.0)

Für gerechte und nachhaltige Produkte ist das Gesetz entscheidend. Doch während Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil ein wirksames Lieferkettengesetz implementieren wollen, torpediert Wirtschaftsminister Altmaier das Vorhaben.

27.08.2020 – Ein Bündnis von über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen zeigt sich entsetzt über die fortgesetzte Blockadehaltung des Wirtschaftsministeriums für ein wirksames Lieferkettengesetz. Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, der BUND, Brot für die Welt, der Deutsche Gewerkschaftsbund und viele weitere namhafte Organisationen angehören, erklärt: „Wirtschaftsminister Altmaier lehnt alle Elemente ab, die ein Lieferkettengesetz erst wirksam machen würden. Er will ein Lieferkettengesetz offensichtlich mit allen Mitteln verhindern.”

Ein wirksames Lieferkettengesetz soll Unternehmen in Deutschland dazu verpflichten entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechte und Umweltauflagen zu achten, sodass die fertigen Produkte fair, umwelt- und klimaschonendend sind. Eigentlich waren Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz Ende dieses Monats angekündigt. Nun taucht das Thema als Tagesordnung im Kabinett erst für den 09. September auf. Offizieller Grund sind Urlaubszeiten, die die Verhandlungen in die Länge ziehen. Doch die Vermutung liegt nahe, dass dahinter die Blockade des Wirtschaftsministeriums steckt.

Die Vorschläge aus dem Hause Altmaier würden das Lieferkettengesetz zur Farce machen

Laut Informationen der Initiative will das Wirtschaftsministerium ein Lieferkettengesetz nur für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden und ohne zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismus akzeptieren. „“Die Vorschläge aus dem Hause Altmaier würden das Lieferkettengesetz zur Farce machen. Von den mehr als drei Millionen Unternehmen in Deutschland wären kaum 250 erfasst“, so Kusch.

Ganz anders die Pläne vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und dem Arbeitsministerium. Diese sehen einen Schwellenwert von 500 Mitarbeitenden und eine zivilrechtliche Haftung vor. Damit könnten Unternehmen vor Gericht für Verfehlungen zur Verantwortung gezogen werden.

Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil treiben die Implementierung eines Lieferkettengesetzes voran, da sie freiwillige Selbstverpflichtungen als gescheitert ansehen. Vorangegangen waren Unternehmensbefragungen, die ergaben, dass deutlich weniger als 50 Prozent der befragten Firmen ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachkommen. „Dass Freiwilligkeit nicht ausreicht, zeigen die Ergebnisse unserer Umfrage“, so Heil.

Und Müller erklärt: „Zur Verwirklichung von Menschenrechtsstandards, die entlang der Lieferketten Kinderarbeit ausschließen und grundlegende ökologische und soziale Mindeststandards sichern, brauchen wir jetzt einen gesetzlichen Rahmen, so wie im Koalitionsvertrag festgelegt.“ Demnach solle eine gesetzliche Regulierung erarbeitet werden, wenn sich bis 2020 freiwillige Maßnahmen nicht als wirksam erweisen.

Wir brauchen ein Lieferkettengesetz mit Biss

Der Druck für ein wirksames Lieferkettengesetz ist riesig. Neben den über 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen, haben bereits über 220.000 Bürger eine entsprechende Petition unterzeichnet. Auch die Opposition macht Druck. Katharina Dröge Sprecherin für Wirtschaftspolitik, erklärt via Twitter: „Die Vertagung der Eckpunkte fürs Lieferkettengesetz darf nicht zu einer weiteren Aufweichung führen.“ Und ihre Parteikollegin im Europaparlament, Anna Cavazzini, sagt: „Wir brauchen ein Lieferkettengesetz mit Biss!“

Auch in der Europäischen Union wird an der Implementierung eines Lieferkettengesetzes gearbeitet. Kommission und Parlament sind sich in diesem Punkt bereits einig. Trotzdem könnten im schwierigen Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union noch einige Jahre vergehen, bis ein entsprechendes Gesetz rechtskräftig ist. Dass daher schon bald in Deutschland ein Lieferkettengesetz implementiert werden sollte, hält Cavazzini für dringend geboten, wie sie auf einem Webinar der Grünen mitteilt.

Auch Dröge hält es erst einmal für wichtig, dass ein einigermaßen wirksames Lieferkettengesetz kommt. In kommenden Legislaturperioden könnten dann weitere Verbesserungen vorgenommen werden. Die mahnt auch die Initiative der zivilgesellschaftlichen Organisationen an und bezieht sich dabei auf die Vorschläge von BMZ und Arbeitsministerium. Positiv sei demnach, dass unternehmerische Sorgfaltspflichten klar beschrieben werden und sich an Menschenrechtsprinzipien halten. Umweltbezogene Sorgfaltspflicht fehle hingegen fast vollständig und entsprechende Missstände könnten nicht zivilgesellschaftlich haftbar gemacht werden.

Bei Menschenrechtsverletzungen könne indes nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden, ohne Einzelfälle genauer zu prüfen. Darüber hinaus kritisiert die Initiative die sehr lange Übergangzeit für Unternehmen von drei Jahren bis Inkrafttreten des Gesetzes. Auch der Schwellenwert für 500 Mitarbeiter sieht die Initiative als zu hoch gegriffen an. Der Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes sollte demnach nicht allein an der Beschäftigtenzahl festgemacht werden, sondern ebenfalls an Umsatz und der zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Nun müssen jedoch BMZ und Arbeitsministerium ihre Forderungen erst einmal durchbekommen. Unterstützung an einer Aufweichung oder sogar Verschiebung des Lieferkettengesetzes erhält Altmaier von Teilen der Wirtschaft. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) etwa warnt, dass die Regelungen nicht handhabbar seien und der Chef der Wirtschaftsweisen Lars Feld mahnt, das Gesetz könne das Wachstum von Unternehmen bremsen. Demgegenüber stehen namhafte deutsche Unternehmen wie Tschibo, REWE, Ritter Sport, BMW und viele weitere, die sich für ein Lieferkettengesetz aussprechen, um ihre Produktion entsprechend auszurichten. mf

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