KraftwerksstrategieStudie sieht Absicherungspflicht gegenüber Kapazitätsmechanismus im Vorteil

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Absicherungspflicht oder Kapazitätsmechanismus? Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung ist unter Energiemarktakteuren umstritten (Bild: Nathan Anderson / Unsplash+)

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, plant die Bundesregierung eine Kraftwerksstrategie mit Kapazitätsmechanismus für den Strommarkt. Eine Studie des bne sieht in einer Absicherungspflicht eine effizientere Lösung für den Energiemarkt.

15.07.2024 – Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung sieht vor, konventionelle sowie wasserstofffähige Gaskraftwerke kurzfristig staatlich zu fördern. Ziel ist die Versorgungssicherheit zu stärken. Die Kraftwerke sollen ab 2028 über einen Kapazitätsmechanismus Reserven bereitstellen – und dafür auch bezahlt werden. Wie ein solcher Mechanismus aussehen soll, wurde in den vergangenen Monaten in der Plattform Klimaneutrales Stromsystem diskutiert, ein Optionenpapier folge bald, berichtet der Tagesspiegel Background. Im Oktober plant die Regierung Eckpunkte festzulegen.

Kapazitätsmechanismen werden in den europäischen Nachbarländern Belgien, Polen und auch Frankreich bereits angewendet. Für den deutschen Strommarkt wäre ein Kapazitätsmechanismus hingegen neu. Derzeit gibt es in Deutschland einen sogenannten Energy-Only-Markt, auf dem nur Strommengen auf dem Markt verkauft werden, die auch tatsächlich erzeugt und geliefert werden. Wie effizient ein Kapazitätsmechanismus die Versorgungssicherheit regelt, ist in der Energiewirtschaft umstritten. Energiemarktakteure befürchten, dass der Energiemarkt mit einem Kapazitätsmechanismus dauerhaft auf staatliche Förderung und Planung angewiesen sein wird. Eine Absicherungspflicht könnte die Energieversorgung effizienter und kostengünstiger sichern, befindet eine vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) beauftragte Studie.

„Wir brauchen einen intelligenten Marktrahmen anstelle einer planwirtschaftlichen Förderung von Kapazitäten“, sagt Robert Busch, Geschäftsführer des bne. „Es kann nicht sein, dass wir den marktlichen Aufwuchs verschiedener Flexibilisierungsangebote zugunsten der Förderung von Erdgaskraftwerken mit einer bestenfalls ungewissen Wasserstoffhypothek verdrängen. Auch der absehbar folgende Förderwettlauf zwischen Erneuerbaren Energien und neuen Kraftwerken sollte vermieden werden.“

Nicht ausreichend abgesichert

In der Grundsatzstudie wird diskutiert, wie die Versorgungssicherheit im deutschen Stromsektor in Zukunft gesichert werden kann. Auf 240 Seiten werden der aktuelle Strommarkt analysiert und Kapazitätsmechanismen diskutiert, die bisherige Defizite beheben könnten. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass die Versorgungssicherheit über eine marktwirtschaftliche Organisation effizienter und kostengünstiger gewährleistet werden kann als über einen staatlich organisierten Kapazitätsmarkt. Eine Absicherungspflicht könne den Energiemarkt stärken und ausreichend Anreize setzen, um die notwendigen Kapazitäten zu schaffen.

Eine Absicherungspflicht bedeutet vereinfacht gesagt, dass Stromversorger ihre Lieferverpflichtungen zum Beispiel am Terminmarkt absichern müssen. Derzeit ist das nicht der Fall. Unternehmen, die sich nicht absichern, können bei starken Preisschwankungen schnell Konkurs machen. Da ein Grundversorger die gestrandeten Kunden aufnehmen und entsprechend für sie zahlen muss, wird das Risiko, das diese Unternehmen eingehen, von anderen Marktakteuren mitgetragen. Ein Beispiel für einen solchen Fall war der drastische Anstieg der Energiepreise in der Gaskrise.

Grundsätzlich ist eine Absicherungspflicht auch in der europäischen Strombinnenmarkt-Richtlinie vorgegeben, dessen Umsetzung noch aussteht. In der Richtlinie ist allerdings auch die Möglichkeit eines Kapazitätsmechanismus vorgesehen.

Anreizen statt staatlich fördern

In der Studie werden eine Reihe von Markdefiziten identifiziert. Strommarktakteure hätten derzeit keine Anreize, in steuerbare Leistung zu investieren, da keine Absicherungspflicht besteht. Auch Verbraucher hätten keine Möglichkeit, über eine Tarifwahl zu signalisieren, welchen Preis sie für eine sichere Leistung zu zahlen bereit seien. Politische Unsicherheiten verstärkten die Zurückhaltung auf dem Markt weiter, da nicht klar sei, wie der Markt in Zukunft organisiert sei und was gefördert werde.

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Über starre Förderungen könnten sogar Fehlanreize gesetzt werden. Es drängten ständig steigende Kapazitäten Erneuerbarer Energien und Flexibilitätsoptionen auf den Markt, die darauf abzielten, Ökoenergie optimal zu nutzen. Sich in dieser Phase auf eine Technologie festzulegen, ohne zu wissen, ob diese in Zukunft eine effiziente und kostengünstige Lösung sei, sei kein sinnvoller Schritt. Das von der Bundesregierung geplante Kraftwerksförderungsprogramm mache Deutschlands Energiesystem pfadabhängig von Gas- und Hybridkraftwerken, die dauerhaft subventioniert werden müssen.

Das Zusammenspiel zwischen dezentralen Erzeugern und Verbrauchern wird durch den steigenden Anteil Erneuerbarer Energien zudem zunehmend komplexer. Eine zentrale, staatliche Steuerung sei ungeeignet, um ein derart komplexes System zu regulieren.

Flexibel bleiben

Statt eines Kapazitätsmechanismus empfehlen die Autoren der Studie, bestehende Systeme weiterzuentwickeln. Kurzfristig solle für Privatkunden das Smart-Meter-Rollout und dynamische Tarife umgesetzt werden. Wasserstoff solle keine priorisierte Förderung erhalten, um Flexibilitätsoptionen anderer Technologien nicht zu verdrängen. Als entscheidender Schritt würde die Einführung einer Absicherungspflicht Anreize für Investoren setzen, in die effizientesten steuerbaren Kapazitäten zu investieren und so die Versorgungssicherheit marktwirtschaftlich zu stärken. jb

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