Verkehr und GebäudeEin sozialverträglicher Emissionshandel könnte funktionieren

Eine mehrspurige Straße mit Autos, die in einen Tunnel reinführt. Darüber wird u.a. ein Haus gebaut.
Weniger Autos auf den Straßen und der Bau und Sanierung von Gebäuden mit einer höheren Energieeffizienz. Ein wirksamer CO2-Preis könnte helfen. (© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)  

In der EU wird über einen zusätzlichen europäischen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude diskutiert. Damit dieser wirksam und sozial verträglich wird, hat die EU-Kommission Vorschläge gemacht. Doch diese gehen Expert:innen nicht weit genug.

24.02.2022 – Eine Reform des europäischen Emissionshandels (ETS) steht voraussichtlich in diesem Jahr an. Um Details wird gerungen. Es geht um Maßnahmen, den ETS für Energie und Industrie noch wirksamer zu gestalten und zugleich die Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Und es wird über eine Ausweitung der CO2-Bepreisung auf andere Sektoren diskutiert, wie etwa den Schiffsverkehr und Müllverbrennungsanlagen, aber vor allem die Sektoren Verkehr und Gebäude. Für die gilt in Deutschland bereits ein nationaler CO2-Preis von aktuell 30 Euro pro ausgestoßene Tonne Kohlendioxid.

Die EU-Kommission schlägt vor, ab 2026 die CO2-Emissionen beim Verkehr und im Gebäudesektor einheitlich in der Europäischen Union zu bepreisen und dafür einen eigenen Emissionshandel, den ETS 2, zu schaffen. Ziel ist es, den klimaschädlichen CO2-Verbrauch so zu verteuern, dass er sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt und der Umstieg auf klimafreundliche Technologien gelingt. Das ist der Grundsatz des Europäischen Emissionshandel. Bei dem eine absolute Anzahl an Zertifikaten festgelegt wird, die dann ersteigert und von Marktteilnehmenden gehandelt werden können.

Dass ein zusätzlicher Emissionshandel für die beiden Sektoren grundsätzlich hilfreich für den Klimaschutz ist, darin sind sich Politik, Wissenschaft und Umweltverbände einig. Doch über die Ausgestaltung besteht noch Uneinigkeit. Es geht um die Wirksamkeit eines zweiten ETS und dessen sozialer und gerechter Ausgestaltung für alle Europäer:innen.

Kritisch unter die Lupe genommen

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) haben im Auftrag von Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch, WWF Deutschland und CAN Europe, die Vorschläge der EU-Kommission zu einem zweiten ETS kritisch unter die Lupe genommen und weitergehende Vorschläge gemacht.

Positiv bewerten die Studienautor:innen, dass die Kommission den ETS 2 als Teil eines ganzheitlichen Policy-Mixes und Ergänzung zu öffentlichen Investitionen und anderen marktbasierten Instrumenten betrachtet. Auch dass mit der Einführung des ETS 2 ein klares Gesamtbudget für die CO2-Emissionen von Wärme und Verkehr vorgegeben und das Verursacherprinzip gestärkt wird, sehen die Autor:innen als klaren Fortschritt.

Fehlen würde dem bisherigen Vorschlag der EU-Kommission dagegen eine Preisuntergrenze, unter die der CO2-Preis nicht fallen dürfte. Die deutsche Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag eine solche Preisuntergrenze für den bestehenden ETS an. Sollte der ETS für Energie und Industrie unter 60 Euro fallen, werde man nationale Maßnahmen ergreifen, damit der Preis weiter darüber liegt. Neben einer Preisuntergrenze fordern FÖS und FEST eine ansteigende Preisobergrenze, die verhindern soll, dass ein übermäßig schneller Preisanstieg zu sozialen Verwerfungen führt.

Unklare Ausgestaltung

Sozial und gerecht seien die bisherigen Vorschläge auch an anderen Stellen noch nicht in dem Maße, wie es nötig sei, kritisieren die Studienautor:innen. Die EU-Kommission schlägt einen sozialen Klimafonds (SCF) vor, in dem die Einnahmen aus den versteigerten Zertifikaten vermehrt an ärmere Mitgliedsstaaten und dort vor allem an einkommensschwache Haushalte umverteilt werden.

Dieses Vorgehen sei laut FÖS und FEST zwar grundsätzlich positiv zu bewerten, die Ausgestaltung des SCF bleibe aber an vielen Stellen noch unklar. So sei aktuell nicht absehbar, wie sich die Verteilungseffekte zwischen den Mitgliedstaaten in Zukunft entwickeln werden, da sie stark von den künftigen Emissionsreduktionen abhängen und davon, wie sich diese zwischen den Mitgliedstaaten unterscheiden. Hier seien bessere Analysen und Prognosen seitens der EU-Kommission nötig, um entscheiden zu können, ob die Einführung weiterer Solidaritätsmechanismen erforderlich ist.

Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, betont: „Wenn die gezielte Rückverteilung der Erlöse des Emissionshandelssystems für Gebäude und Straßenverkehr sichergestellt wird, könnte Europa auch aus sozialer Perspektive ein Stück weiter zusammenwachsen. Damit das auch tatsächlich passiert, müssen das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten im weiteren Prozess aber noch einige Verbesserungen des Kommissionsvorschlags verhandeln.“

Stärkere Verantwortung für Großemittenten

Die Auftraggebenden Umweltverbände der Studie fordern zudem, dass „angemessene, erschwingliche und klimafreundliche Alternativen für Mobilität“ auf breiter Basis zur Verfügung stehen müssen, bevor die CO2-Preise auf ein signifikantes Niveau steigen. Im Gegenzug zu einer sozialverträglichen CO2-Bepreisung für einkommensschwache Haushalte, sollten Großemittenten, wie die klimaschädliche Industrie umso stärker in Verantwortung gezogen werden. Auch damit für diese ein größerer Anreiz besteht auf klimafreundliche Technologien umzusteigen.

Malte Hentschke-Kemper, stv. Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland, warnt: „Ein Emissionshandel ohne ausreichende Klimaschutzwirkung, der dazu noch die Ärmeren stärker trifft, wäre absurd und würde die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen gefährden.“ Bei einem informellen Treffen der Minister:innen für Umwelt und Energie in den EU-Mitgliedsstaaten Ende vergangener Woche im französischen Aimens, war die Reform des ETS Thema. Im Mai wollen die Minister:innen über ein gemeinsames Vorgehen abstimmen, ebenso wie das EU-Parlament. Ein gemeinsamer Beschluss könnte im Sommer erfolgen. mf

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