Bürgerenergiewende EU-ProjektEnergiegemeinschaften in Sektorenkopplung einbinden

Eine Gruppe Menschen spaziert durch einen Solarpark
Energiegemeinschaften bringen die Energiewende in Europa maßgeblich voran. (Foto: naturstrom AG/schubertfoto)

Die EU möchte Energiegemeinschaften voranbringen. Etliche Länder sind bei der Umsetzung entsprechender Zielvorgaben weiter als Deutschland. In dem EU-Projekt FEDECOM sollen Energiegemeinschaften stärker in die Sektorenkopplung eingebunden werden.

24.07.2024 – Die EU-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive) definiert Energiegemeinschaften als „Bündelung von Energieerzeugung und -verbrauch zur Förderung der kollektiven Teilnahme kleinerer Akteure am Energiemarkt und zum Ausgleich des Energiesystems auf dezentraler Ebene“. Sie bieten die Möglichkeit, lokale Erneuerbare-Energien-Projekte, wie z.B. Solarparks, gemeinsam zu besitzen, zu verwalten und davon zu profitieren.

Darüber hinaus tragen sie dazu bei, die öffentliche Akzeptanz für Erneuerbare-Energien-Projekte zu erhöhen und private Investitionen in eine saubere Energiewende zu erleichtern. Gleichzeitig bringen sie den Bürgerinnen und Bürgern direkte Vorteile, indem sie die Energieeffizienz optimieren und die Stromrechnungen senken. Energiegemeinschaften können auch dazu beitragen, das Stromsystem durch Demand Response (DR) und Energiespeicherung zu stabilisieren und Flexibilitäten zu nutzen.

Mehr als 9000 Energiegemeinschaften – unterschiedliche Rahmenbedingungen

Die EU unterscheidet zwei Arten von Energiegemeinschaften, die Citizen Energy Community (CEC) und die Renewable Energy Community (REC). Sie können als Unternehmen, Genossenschaften, Non-Profit-Organisationen (NPOs), KMUs oder andere Formen von Partnerschaften organisiert sein. Ihr Hauptziel ist nicht die Erzielung finanzieller Gewinne, sondern die Schaffung ökologischer, wirtschaftlicher oder sozialer Vorteile für ihre Anteilseigner, Mitglieder und die Region. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die EU-Mitgliedstaaten gemäß der RED II-Richtlinie von 2018 sicherstellen müssen, dass Energiegemeinschaften gleiche Wettbewerbsbedingungen oder „gleiche Voraussetzungen“ (wie andere Marktteilnehmer) haben, um diskriminierungsfrei auf dem Markt agieren zu können.

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Derzeit gibt es viele verschiedene Formen von Energiegemeinschaften in ganz Europa – ihre Gesamtzahl wird auf über 9.000 geschätzt. Die verbindliche EU-Regelung der RED II zu ihrer diskriminierungsfreien Behandlung ist jedoch vielfach noch nicht umgesetzt. Die Rahmenbedingungen sind in vielen EU-Ländern sehr unterschiedlich und es gibt zahlreiche Hindernisse und Herausforderungen. In einigen Ländern wie Spanien, Österreich, Portugal oder Frankreich gibt es bereits einen eigenen Rechtsrahmen für Energiegemeinschaften, in anderen Ländern wird dieser gerade entwickelt.

Noch hohe Hürden in Deutschland

Deutschland hat die EU-Vorgaben bisher nur unzureichend umgesetzt. Zwar gibt es zwischen Konstanz und Flensburg rund 900 Bürgerenergiegenossenschaften – und je nach Zählweise rund 1700 Energiegemeinschaften. Deren Betrieb und Gründung wird jedoch durch komplexe Regelungen und hohen bürokratischen Aufwand stark erschwert.

Dies gilt insbesondere für das „Energy Sharing“.  So ist es für Energiegemeinschaften bisher nicht möglich, Strom zu erzeugen und den Überschuss mit Nachbarn zu teilen. Gemeinschaftlich erzeugter Strom darf nicht durch das öffentliche Stromnetz fließen, wenn er auch innerhalb der Energiegemeinschaft genutzt werden soll. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will nun ein Konzept zum Energy Sharing vorlegen (auch aufgrund der Vorgaben der EU-Strommarktreform), ob dies aber tatsächlich Verbesserungen bringt, ist derzeit unklar.

Operative Regeln in Italien veröffentlicht

In Italien hat die zuständige nationale Energieagentur nach einer mehrjährigen Testphase im Februar 2024 endlich operative Regeln für Energiegemeinschaften veröffentlicht. Ende November 2023 hatte die Europäische Kommission ein 5,7 Milliarden Euro schweres Programm zur Entwicklung von Energiegemeinschaften mit einem erneuerbaren Anlagenportfolio von bis zu 1 Megawatt (MW) im Land genehmigt.

Ende 2023 gab es erst etwas mehr als 100 Energy Communities in Italien, mit der neuen Regelung wird nun ein deutlicher Anstieg erwartet. Ziel der Regierung in Rom ist es, dass durch die Stärkung der Energy Communities bis 2027 zusätzliche PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 5 Gigawatt (GW) installiert werden. Der Branchenverband Italia Solare erwartet bis 2030 sogar einen PV-Zubau von mindestens 12 GW durch Energiegemeinschaften.

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Viola Theesfeld ist Referentin für Energiepolitik und -wirtschaft beim Bündnis Bürgerenergie (BBEn)

Griechenland fördert lokal betriebene Energiegemeinschaften

In Griechenland sind mehr als 1.600 Energiegemeinschaften registriert, die Erneuerbare-Energien-Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 1 GW betreiben. Die meisten sind jedoch von Unternehmen dominiert. Im vergangenen Jahr wurde der Rechtsrahmen angepasst, um die Gründung von Energiegemeinschaften durch Genossenschaften, Bürgergruppen und Kommunen zu erleichtern.

Im Dezember 2023 stellte die griechische Regierung mit Unterstützung des EU-Struktur- und Investitionsfonds 42 Millionen Euro zur Verfügung, um lokal betriebene Energiegemeinschaften zu unterstützen, die über Net Metering oder virtuelles Net Metering arbeiten. Die Projekte müssen erneuerbare Energiequellen nutzen, um den Strombedarf kommunaler Gebäude wie Krankenhäuser, Schulen und Sporthallen zu decken. Der erzeugte Strom kann auch für von Energiearmut betroffene Haushalte genutzt werden. Gefördert werden 80 Prozent der Kosten für Energiegemeinschaftsprojekte mit einer installierten Mindestleistung von 0,3 MW.

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FEDECOM Projekt läuft bis 2026

Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von Energiegemeinschaften wurden kürzlich in einem Webinar von The smarter E zum Thema „Europäische Energiegemeinschaften: Sektorenkopplung, Flexibilität und operative Perspektiven“ aufgezeigt. Im Mittelpunkt stand das EU-Projekt FEDECOM, FEDErated „systems of systems“ approach for flexible and interoperable energy COMmunities. Es läuft über vier Jahre (2022-2026) im Rahmen des Horizon Europe Programms.

Das Projekt zielt darauf ab, ein technisches und wirtschaftliches Ökosystem zu entwickeln, um die Vorteile der Kopplung der Energiesektoren (Elektrizität, Gas, Wärme und Kälte, Industrie, Elektro- und Wasserstoffmobilität) in europäischen Energiegemeinschaften zu demonstrieren. Durch die Integration lokaler Energiesysteme und einer kooperativen Demand-Response-Strategie (DR) in einem Verbund von Energiegemeinschaften (regional, national, grenzüberschreitend) sollen die Netzstabilität und -zuverlässigkeit verbessert, der wirtschaftliche Nutzen erhöht und der CO2-Fußabdruck reduziert werden.

Die Hauptziele von FEDECOM sind:

  • Implementierung einer Cloud-basierten Lösung (Plattform) für Sektorenkopplung, dezentrale Erzeugung und Energiespeicherung, Flexibilitätsmanagement und Verbesserung des EE-Hosting.
  • Validierung der Lösung in drei Pilotprojekten, die jeweils aus mehreren (föderierten) Demonstrationsstandorten (Gemeinschaften) bestehen: Die spanische Virtual Green H2 Federation, die Schweizer Residential Hydropower Federation und die transnationale BENElux e-Mobility Federation.
  • Entwicklung tragfähiger Pläne für die breit angelegte Umsetzung in weiteren Energiegemeinschaften.

Künftige Herausforderungen

Herausforderungen sind u.a. ein verstärkter Fokus der Energiegemeinschaften auf den Ausgleich der fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung durch Energiemanagement, Energiespeicherung und Demand-Response, die Schaffung von Flexibilitätsanreizen durch dynamische Stromtarife, die verstärkte Einbindung der nicht-elektrischen Wärmeversorgung, die technische Interoperabilität der Systeme sowie Investitionen in die Datenerfassung. Hans-Christoph Neidlein

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