Neues Quartier in Köln-EhrenfeldKlimaneutral heizen mit Abwasser

Luftaufnahme der Baustelle (von Häusern) und angrenzendem Gebiet
Links das neue entstehende Quartier LÜCK, am rechten Bildrand die Äußere Kanalstraße. Für die Leitung der Wärme vom Kanal unter der Straße zur Wärmepumpe im Quartier brauchte es die Genehmigung des dazwischen liegenden Nachbargrundstücks (Bild: wvm Gruppe/Eduard Bopp)

In Köln-Ehrenfeld entsteht ein innovatives Quartier, dessen Bewohner:innen künftig dank Abwasser mit 100 Prozent Erneuerbarer Wärme versorgt werden. Es ist das erste Projekt seiner Art in Köln auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt.

23.08.2024 – Oben rauschen Fahrräder, Autos und Menschen auf der Äußeren Kanalstraße vorbei, unter der Erde Abwasser durch einen Kanal. Abwasser, dass entscheidend für die künftige Energieversorgung des unweit entfernten Quartiers LÜCK wird. In Köln-Ehrenfeld baut die wvm-Gruppe auf einem Areal an der Subbelrather Straße 216 Wohneinheiten – davon 67 öffentlich gefördert, die für Menschen mit niedrigen Einkommen deutlich unter dem lokalen Mietspiegel vermietet werden.

Zugleich werden Mieter:innen und Käufer:innen der Wohnungen unabhängig von steigenden CO2-Preisen im LÜCK-Quartier heizen. Zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien und damit klimaneutral wird Wärme im Quartier bereitgestellt, konzipiert von der naturstrom AG, in Zusammenarbeit mit UHRIG-Energie. Die Uhrig-Gruppe aus Baden-Württemberg ist Pionier im Bereich der Abwasser-Wärmegewinnung und hat ein patentiertes modulares Wärmetauschsystem entwickelt, dass seit 2007 europaweit in verschiedenen Wärmesystemen verbaut ist.

Uhrig verkleidet die Böden der Rohre mit ihren selbst entwickelten Systemen, den dort liegt das für die Wärmegewinnung kostbare Abwasser. „Der Kanal hier an der Äußeren Kanalstraße ist drei Meter hoch. Für uns interessant ist aber nur das Wasser, dass am Boden fließt“, erläutert Stephan von Bothmer, Geschäftsführer von UHRIG Energie, bei einem Rundgang über das Bauprojekt. Stetig fließt unter der Äußeren Kanalstraße sogenanntes Grauwasser entlang, dass durch die Nutzung des Menschen von Duschen und Kochwasser ein stetiges Temperaturniveau von 10 bis 15 Grad hat – im Winter wie im Sommer. Voll wird der Kanal nur bei Regen.

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Wärmetauscher von Uhrig funktionieren ab einer Kanalgröße von 80 Zentimetern. Daher konnte Uhrig die Rohre nicht direkt an der Subbelrather Straße, sondern erst an der rund 100 Meter entfernten Äußeren Kanalstraße anzapfen. „Von kleineren Anschlüssen direkt an den Häusern, führen die Rohre in immer größere Kanäle, die schließlich in Kläranlagen münden“, sagt Bothmer. Je größer die Rohre, desto ertragreicher sind diese für die Wärmegewinnung. Das System von Uhrig entfaltet daher vor allem in Städten sein volles Potenzial. Köln, mit seinen knapp über eine Millionen Einwohnern, ist einer der größten Abwasserentsorger Deutschlands.

Für das Quartier LÜCK muss Uhrig gerade einmal 120 Meter des Kanals mit den Wärmetauschern ausstatten, um genug Energie zu erhalten, die 216 Wohneinheiten im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen. Funktionieren tut das mit einer Wärmepumpe im Quartier. „Die Wärmepumpe in der Energiezentrale nutzt lokal erzeugten Solarstrom sowie echten Ökostrom aus dem Netz, um das Heizwasser auf Temperatur zu bringen und einen 20 Kubikmeter großen Pufferspeicher zu befüllen“, erläutert Sarah Debor, Geschäftsfeldleiterin Urbanes Wohnen und Gewerbe bei der naturstrom AG, das vom Ökoenergieversorger projektierte Energiekonzept. „Dieser speist das quartierseigene Wärmenetz. Bei Spitzenlast oder besonders viel lokal erzeugter Solarenergie wird eine Power-to-Heat-Anlage zugeschaltet.“

Der Solarstrom kommt von Photovoltaikanlagen auf dem Dach mit einer Gesamtleistung von 99 Kilowatt peak. Sollte einmal nicht genug Sonnenergie zur Verfügung, springt naturstrom mit klimaneutralem Strom aus dem Netz ein. Debor betont die besondere Effizienz des Wärmekonzepts: „Mit der aus Abwasserwärme gespeisten Wärmepumpe können wir aus einer Einheit Strom das Fünffache an Wärme gewinnen. Das ist in unseren Gefilden mit einer Luft-Wärmepumpe nicht möglich.“

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, sieht das Projekt und Köln insgesamt als Vorreiter in NRW. „Hier entsteht viel Innovation“, so Scharrenbach bei dem Treffen auf der Baustelle des künftigen Quartiers. „Mit dem Wärmepotenzialatlas zeigt Köln seit zehn Jahren Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern, welche Wärmegewinnung für ihre Immobilie in Frage kommt.“ Abwasser könnte hier in Zukunft zu einem gewichtigen Faktor für Kölns dezentrale Wärmewende werden. Die Stadt am Rhein will bis 2035 klimaneutral werden. Das Quartier Lück soll im Laufe des kommenden Jahres einzugsbereit sein. Manuel Grisard

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