EnergiebilanzGrüner Wasserstoff auf Reisen

Luftaufnahme Hafen Lüderitz in Namibia
Der Hafen Lüderitz in Namibia, einer von zwei Häfen des Landes. Für die industriellen Prozesse rund um den Wasserstoff-Export müssen sie ausgebaut werden. (Foto: Hp.Baumeler auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Wasserstoff ist kein kostengünstig zu transportierendes Gut, weder per Pipeline noch per Schiff. Es gilt das große Ganze zu betrachten: die effiziente Erneuerbare Energieerzeugung und die Transportalternativen, zum Beispiel in Form von Ammoniak.

06.09.2025 – Wenn der Übergang zu grünem Wasserstoff gelingen soll, müssen große Mengen des Energieträgers importiert werden. Die kostengünstigen Erzeugungskapazitäten liegen oft weit entfernt in Afrika, Australien oder Südamerika. Dort sind die Bedingungen mit über 3000 Sonnenstunden jährlich und konstanten Winden deutlich günstiger als in Deutschland mit 1500 Sonnenstunden und fluktuierenden Winden.  

Erzeugung in Europa spart Umwandlung und Transport

Zunächst einmal sollte der grüne Wasserstoff in Europa produziert werden. Seine energieeffiziente Erzeugung hängt von der maximalen Ausschöpfung des europäischen Wind- und Photovoltaikpotenzials ab, was eine No-Regret-Maßnahme darstellt. In diesem Fall wäre eine großtechnische Umsetzung der heimischen Wasserstoffproduktion wettbewerbsfähiger als der Import von Wasserstoff in die EU, schreiben Florian Ausfelder von der DECHEMA (Gesellschaft für Technik und Biotechnologie) und Mario Ragwitz vom Fraunhofer-Institut für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in der Publikation: European Hydrogen Infrastructure Planning des TransHyDE-Projektes Systemanalyse,

Kostenvorteile für Stroam aus wind- und sonnenreichen Gegenden

In klimatisch günstigen Regionen für erneuerbaren Energie kann Strom preiswert produziert werden. Durch die Elektrolyse wird dort Wasser aufgespalten in die Elemente Sauerstoff und Wasserstoff. Diese Elektrolyse wird durch erneuerbaren Strom angetrieben. Dabei wandelt sich die Energie von der elektrischen Form des grünen Stroms in die chemische Variante. Sie ist dann zu einem großen Teil im grünen Wasserstoff gespeichert. Häufig sind allerdings die Erzeugungs- und Verbrauchszentren des grünen Wasserstoffs mehrere 1000 Kilometer voneinander entfernt.    

Befinden sich die Erzeugungskapazitäten im Nahen Osten und Nordafrika, ist ein Pipelinetransport möglich. Allerdings wird die Umrüstung bestehender Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff oder der Bau neuer Pipelines erforderlich sein.

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Zwischen Erzeugung und Bedarf liegen große Strecken

In welchen Regionen der Welt Wasserstoff kostengünstig hergestellt werden kann, wurde in einer Studie untersucht. Wind, Sonne und genügend Platz sind entscheidend. Auf die Restemissionen einer Wasserstoffökonomie gehen die Forschenden ebenfalls ein.

Energieverbrauch bei Umwandlung und Transport

Als möglicher großer Wasserstoffexporteur kommt Namibia in Frage. Das Unternehmen Enertrag plant hier gemeinsam mit einem britischen Partner im Projekt Hyphen die Produktion von 300.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr, der sowohl für den regionalen als auch für den globalen Markt bestimmt ist.

Der Wasserstoff muss dann mit möglichst hoher Energiedichte zum Beispiel nach Deutschland per Schiff transportiert werden. Kein leichtes Unterfangen, denn das Gas muss Temperaturen unter -253 Grad Celsius haben, damit es flüssig per Schiff transportiert werden kann. Prinzipiell ist das möglich, wie der Wasserstofftransport zwischen Australien und Japan zeigt. Allerdings ist dieser Transport sehr aufwändig und mit Verlusten beim Befüllen und Entleeren verbunden.

Preiswerter ist der Transport von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak. Sie könnten sogar konkurrenzfähig zur europäischen Produktion werden, meinen Ausfelder und Ragwitz in ihrer Publikation.

Ammoniak als Speichermedium

Ammoniak setzt sich aus einem Atom Stickstoff und drei Atomen Wasserstoff zusammen. Stickstoff ist mit über 78 Prozent der Hauptbestandteil der Luft. Da Ammoniak unterhalb  -33 Grad Celsius flüssig ist, wäre das eine echte Transportalternative. Der Ammoniak-Transport auf dem Seeweg ist weit verbreitet. Es gibt Schiffe und Hafeninfrastruktur. Ammoniak wird häufig in Ammonium- und andere Stickstoffverbindungen umgewandelt, für die es viele Anwendungen gibt. Für ihre Herstellung wird heute fossil erzeugter Wasserstoff verwendet.

Ammoniak hat als Wasserstoffspeichermedium mehrere Vorteile. Dazu gehört eine hohe Energiedichte pro Masseneinheit und Volumeneinheit im Vergleich zu anderen potenziellen Wasserstoffträgern. Der entscheidende Vorteil im Vergleich zu anderen Trägermolekülen liegt darin, dass Ammoniak keinen Kohlenstoff enthält, sodass in der Nutzung kein CO2 entsteht.  Katalysatoren können die Effizienz der Wandlung von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak steigern. Gleiches gilt für die Aufspaltung des Ammoniaks in Wasserstoff und Stickstoff.

Michael Poschmann vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI-CEC) aus Mülheim an der Ruhr erklärt: „Der Knackpunkt ist der Katalysator. Die benötigte Temperatur für die Ammoniak-Reformierung (Ammoniak-Cracking) ist vergleichsweise hoch. Mittels optimierter Katalysatoren (eine der Kernaufgaben des Forschungs-Projekts AmmoRefindem bei dem das MPI CEC mitwirkt) lässt sich diese Temperatur deutlich verringern. Dadurch sinkt der nötige Energieeinsatz und die Effizienz steigt.“

Die spätere Verwendungsart von Wasserstoff, der mit Ammoniak transportiert wird, ist ebenfalls von Bedeutung, da für die Trennung und Reinigung des Gases ebenfalls Energie benötigt wird. Verbrennungsprozesse tolerieren große Mengen Ammoniak, während Brennstoffzellen zur Rückverstromung nur geringste Anteile Ammoniak im Wasserstoff tolerieren, meint der Chemiker.

Wasserstoff zu Ammoniak schluckt 30 Prozent der Energie

Nach der Energiebilanz befragt meint Poschmann „Mit derzeitigem Stand der Technik wird die benötigte Energie von Wasserstoff über Ammoniak zurück zum Wasserstoff auf 30 Prozent geschätzt. Also 30 Prozent der beförderten Energie im Wasserstoff wird für die Umwandlungsprozesse benötigt. Zur Einordnung: die Verflüssigung von Wasserstoff bei -253 Grad Celsius erfordert einen vergleichbaren Energieaufwand, sofern die benötigte Kälteenergie nicht zurückgewonnen werden kann. Wie beim Flüssigwasserstoff, ist dieser Energiebedarf jedoch auch nur ein grober Richtwert aufgrund verschiedener Einflussparameter.“

Die BASF aus Ludwigshafen rechnet in der Variante Erzeugung in Namibia und Transport nach Deutschland mit einer Energieeffizienz von rund 50 Prozent über die gesamte Kette von erneuerbarem Strom bis zum gecrackten Wasserstoff, im Gegensatz zu 75 Prozent bei der lokalen Wasserstoffproduktion in Deutschland.

Dabei sind sicher die günstigen Bedingungen für erneuerbare Energien im südlichen Afrika ausschlaggebend. Nach Aussage von Florian Rümmele vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE aus Freiburg entstehen circa 75 Prozent der Kosten bei der grünen Ammoniakerzeugung durch die Stromerzeugung. Die Bedingungen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom im südlichen Afrika seien wesentlich besser und konstanter als in Mitteleuropa. Daher könnten Wasserstoff und Ammoniak dort viel günstiger erzeugt werden, so der Ingenieur.

Import aus sonnenreichen Ländern wahrscheinlich kostengünstiger

Rümmele meint: „Der Kostenvorteil für die Erzeugung von erneuerbarem Strom in Ländern wie Namibia, Chile und Australien überwiegt in vielen Fällen im Vergleich zu Wandlungsverlusten in der Wasserstoff-Ammoniak-Wasserstoff-Kette, inklusive Transportkosten nach Deutschland, im Vergleich zu einer inländischen Wasserstoffproduktion. Daher ist die vom BMWK kommunizierte Wasserstoffimportquote von 50 bis 70 Prozent ernst zu nehmen.“

Es ist eine wissenschaftliche Diskussion mit der Politik. Fest steht, dass Mitteleuropa einen großen Wasserstoffbedarf haben wird, sofern die im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden soll. Noch unscharf sind die Quellen und der Transport, zumal noch einiges in der Entwicklung ist. Der Vorteil, den erneuerbaren Strom zu nutzen, wo es günstig ist, liegt auf der Hand, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Thomas Isenburg, Wissenschaftsjournalist

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