Deutsche StädteDie Betonwüsten

Betontreppe am Ufer eines Flusses, mit Hochhaus im Hintergrund
Ludwigshafen am Rhein in Rheinland-Pfalz: Viel Beton, wenig grün (Bild: Andreas Praefcke, Wikimedia Commons, CC BY 4.0)

Von wegen grüne Oasen und Schwammstädte, in vielen deutschen Städten nimmt die Versiegelung von Flächen zu. In Zeiten von Hitzeperioden und sintflutartigen Regenfällen eine gefährliche Entwicklung.

31.07.2024 – Täglich werden in Deutschland über 50 Hektar Fläche für Siedlungen und den Verkehr versiegelt. Besonders verheerende Auswirkungen hat das für das Leben der Menschen in Städten. Beton und Asphalt speichern Wärme besonders gut. Das Stadtklima heizt sich auf, es bilden sich urbane Hitzeinseln. Bäume hingegen kühlen bei hohen Temperaturen die Umgebung und spenden zudem Schatten.

Doch daran fehlt es in vielen deutschen Städten, wie neue Daten der Potsdamer Luftbild Umwelt Planung GmbH im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen. Analysiert wurden die 190 Städte in Deutschland mit mehr als 50.000 Einwohner. In insgesamt 24 dieser Städte lag der Versiegelungsgrad bei über 50 Prozent. Einige dieser Städte wiesen zugleich ein extrem niedriges Grünvolumen auf.

Das Grünvolumen weist das Vorhandensein sogenannter dreidimensionaler Vegetationskörper wie Bäume und Blühstreifen auf einer Flächeneinheit aus. Trauriger Spitzenreiter in beiden Kategorien: Ludwigshafen am Rhein, mit einem Versiegelungsgrad von 57,75 Prozent und einem Grünvolumen von gerade einmal 1,63 Kubikmeter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Ein durchschnittlich hoher Laubbaum hat ein Grünvolumen von etwa 3.400 Kubikmeter.

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Den geringsten Versiegelungsgrad (35,51%) dagegen weist Detmold in Nordrhein-Westfalen auf. Das größte Grünvolumen findet sich in Kaiserlautern (6,73 m³ Grün/m² Fläche). Zugleich hat die Stadt aber auch einen hohen Versiegelungsgrad von 52,67 Prozent. Neben Ludwigshafen sind Heilbronn, Regensburg, Worms, Mainz, Ludwigsburg und Ingolstadt ebenfalls Betonwüsten. Viel grün und wenig Versiegelung dagegen bieten, neben Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena.

Und wie sieht es im Ranking der vier größten Städten Deutschlands mit über eine Millionen Einwohnern aus?

Platz 1: Hamburg: Versiegelung 41,61 %, Grünvolumen 3,76

Platz 2: Berlin: Versiegelung 44,48 %, Grünvolumen 4,24

Platz 3: München: Versiegelung 45,73 %, Grünvolumen 2,75

Platz 4: Köln: Versiegelung 49,72 %, Grünvolumen 3,13

Gemessen wurden Versiegelung und Grünvolumen anhand von Satellitendaten. Sascha Gey, Data Analyst von Luftbild Umwelt Planung, sagt: „Satellitendaten bieten eine zugängliche, vergleichbare und kosteneffiziente Möglichkeit flächendeckende Analysen zu zahlreichen Fragestellungen durchzuführen. Von der Bilanzierung von Versiegelung und Stadtgrün, über die Messung von Oberflächentemperaturen bis hin zum zeitlichen Monitoring von Veränderungen.“ Doch in den Bundesländern mangele es an einer einheitlichen Datenerhebung, um wirksame Gegenmaßnahmen gegen den Flächenfraß einleiten zu können.

Eine Möglichkeit bietet das digitale Stadtklima-Simulationsmodell PALM-4U (Parallel-Large-Eddy-Simulation-Model for Urban Applications), mit dem Stadtplaner:innen die voraussichtliche Wirkung geplanter baulicher Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen berechnen können und wie sich etwa Dach- und Fassadenbegrünung, Grün- und Wasserflächen, die Höhe von Gebäuden und das Baumaterial auf das Mikroklima eines Stadtviertels auswirken. Die Simulation ist ein Ergebnis des Forschungsprojektes „Stadtklima im Wandel“ am Fachgebiet Klimatologie an der TU Berlin.

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Mehr Hitze, mehr Regen, mehr Dichte – Städte müssen sich immer schneller an neue Extreme anpassen. Doch erst ein Fünftel der deutschen Städte verfügt laut Bundesregierung über einen Hitzeschutzplan oder eine Strategie zur Klimaanpassung.

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH, fordert von der Bundesregierung ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen. „In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung. Grün ist aber nicht gleich Grün. Der Rollrasen kann mit dem alten Baumbestand nicht mithalten, deshalb ist nicht nur entscheidend, dass Versiegelung gestoppt und dort, wo es geht, zurückgebaut wird, sondern dass vor allem neben Rasenflächen auch Bäume, Büsche und Wiesen in unseren Städten zu finden sind.“ Baumlose Grünflächen haben laut Forschern der Technischen Hochschule (ETH) Zürich einen etwa zwei- bis viermal geringeren Kühleffekt als baumbestandene Flächen.

Neben kühlenden Effekten bieten entsiegelte Flächen auch mehr Platz, um Regenwasser aufzunehmen. Zusätzlich zu Hitzeperioden sorgt die Klimakrise auch für häufigere und stärkere Unwetter mit extremen Regenfällen. Die Erwärmung der Meere führt zu einer Zunahme an Niederschlag bei vergleichbaren Wetterlagen. Denn steigende Meerestemperaturen erhöhen die Verdunstung, was zu feuchterer Luft führt. Forscher:innen sprechen von rund sieben Prozent mehr Niederschlag bei einer Zunahme der Meeresoberflächentemperatur von einem Grad.

Urbane Räume zur Schwammstadt umzubauen ist das erklärte Ziel, etwa in Berlin. Neben der Entsiegelung von Flächen, sollen unterirdische Zisternen und Rigolen sowie oberirdische Wasserbecken den Regen aufnehmen, bei Bedarf reinigen, und für Trockenzeiten als Wasserspeicher dienen.

Im Angesicht der aktuellen Hitzeperiode in Deutschland, legte das Bundesbauministerium Anfang der Woche eine Hitzeschutzstrategie vor. Darin enthalten, all die aufgeführten Forderungen von Forscher:innen und Umweltverbänden, von mehr Raum für Grün, über Entsiegelung bis hin zur Identifizierung kühler Erholungsorte. Ankündigungen, die angesichts der Klimakrise, schnellstmöglich in die Tat umgesetzt werden müssen. mg

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