Podcast – Wenden bitte!Ohne Mücke kein Kakao – wie die Biodiversität zu retten ist

Kakaopflanze an einem Ast hängend
(Foto: (Ausschnitt) Monika Guzikowska on Unsplash)

Die Abhängigkeiten in Ökosystemen sind zahlreich, ihr Zustand teilweise kritisch. Um den Verlust der Biodiversität, Gründe des Artenschwundes und Ansätze für Lösungen, dem entgegenzusteuern, geht es in einem Podcast des Öko-Instituts.

03.10.2024 – „Biodiversität ist viel mehr als die Vielfalt an Arten. Sie umfasst auch die Vielfalt an Ökosystemen und die genetische Vielfalt der Organismen. Also sind wir, die Menschen, natürlich ebenfalls Teil der Biodiversität der Erde“, sagt Judith Reise, Expertin für Biodiversität, im neuen Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts und warnt: Der Zustand der Biodiversität verschlechtere sich zunehmend.

Zahlreiche Abhängigkeiten im Ökosystem

Die Abhängigkeiten im Ökosystem seien zahlreich und mitunter auch unbekannt. „Wie wichtig der Beitrag einzelner Arten für das Ökosystem ist, zeigt sich am Beispiel der von vielen gehassten Mücke“, so Reise im Podcast, „denn ohne die Gallmücke hat es der Kakaobaum schwer. Mit ihrer geringen Größe ist sie fast die einzige Mückenart, welche die Schokoladenblüte bestäuben kann. Somit gäbe es ohne Mücke vielleicht keine Schokolade mehr.“

Die häufigsten Ursachen für den Rückgang der Biodiversität wie Landnutzungsänderungen, Verschmutzung oder Klimawandel seien menschengemacht. Hier unterscheide die Wissenschaft direkte und indirekte Faktoren, die den Zustand der Biodiversität bedrohen.

Direkte Auswirkungen auf unsere Ökosysteme hätten vor allem intensive Land-, Fisch- und Forstwirtschaft. Zum einen werden dort Stoffe wie Pestizide, Insektizide oder auch Dünger eingebracht. Daneben werden beispielsweise Wälder zugunsten von Ackerflächen gerodet und die Infrastruktur von Straßen und Siedlungen breitet sich zunehmend aus, wodurch Wälder und andere Ökosysteme verschwinden.

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Auch die Bejagung und Überfischung können teilweise zur Ausrottung von Tierarten führen. Zudem belastet das Einbringen neuer, teilweise invasiver Arten bestehende Ökosysteme. Mit dem Klimawandel gehen höhere Temperaturen, steigende Wasserstände oder Wassermangel einher. Das führe dazu, dass bestimmte Arten ihren Lebensraum verlieren, ausweichen oder sich anpassen müssen oder ihre Lebensgrundlage sogar gänzlich verlieren.

Daneben gebe es indirekte Treiber wie Konsum, Politik und Wirtschaft. „Wir haben in Deutschland zum Beispiel eine höhere Besteuerung von pflanzlichen im Vergleich zu tierischen Produkten. Bio-Produkte sind preisintensiv, Flugreisen in Anbetracht der verursachten Emissionen sehr günstig“, so Reise.

Ökosysteme aktiv schützen: Weniger ist mehr

Umso wichtiger wären geeignete Maßnahmen, um Biodiversität zu fördern und zu schützen. Landwirtschaft sollte so angepasst sein, dass sie Naturräume nicht über ihre ökologischen Grenzen hinaus beansprucht. So sollten etwa Fruchtfolgen entsprechend angepasst sein, der Fokus auf Bio-Landwirtschaft liegen, die Intensität der Tierhaltung überdacht und das Einbringen von Stoffen auf ein Minimum reduziert werden.

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Kleinräumige Strukturen wie Hecken sowie Blühstreifen, Brachen und Gewässer sind als Lebensräume schützens- und wünschenswert. Verbraucher könnten in ihrer Ernährung verstärkt auf pflanzliche statt auf tierische Produkte setzen. „Eine gute Orientierung beim Lebensmitteleinkauf bieten regionale Produkte und die Biosiegel-Kennzeichnung, da beim Bioanbau auf Pestizide verzichtet wird“, so Reise. „In der Forstwirtschaft bedarf es eines aktiven Waldumbaus. Strukturen wie Baumhöhlen und Totholz sind empfehlenswert. Hier ist eine langfristig angelegte Planung im Waldmanagement notwendig, da Änderungen im Wald viel Zeit benötigen.“

Politische Rahmenbedingungen für den Biodiversitätsschutz

„Wir brauchen aktiveren Arten-, Land- sowie Meeresschutz, der seitens der Politik gefördert werden und beteiligte Gruppen wie Landwirt:innen mitnehmen muss“, fordert Judith Reise, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut. „Hier braucht es unter anderem mehr zielgerichtete Förderung und Personal, um entsprechende Maßnahmen auf- und umzusetzen.“

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Der Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts, der in mehreren Folgen über anstehende Nachhaltigkeitstransformationen informiert, richtet sich an alle mit politischem und ökologischem Interesse aus Politik, Wissenschaft, Medien, NGOs und die Öffentlichkeit.

Episode 6 „Ist die Biodiversität noch zu retten?“ mit Judith Reise, erschienen am 19. September 2024
Alle Staffeln und Episoden des Podcasts auf www.oeko.de/podcast

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