Bundeswaldinventur 2022Wald in Deutschland wird zur Kohlenstoff-Quelle

Nadelwald mit jungen durch Drahtgitter geschützten Laubbaumpflanzen
Der Waldumbau findet allerorten statt, Monokulturen werden mit jungen Laubbäumen durchmischt. (Foto: energiezukunft/Petra Franke)

Der Wald in Deutschland ist derzeit kein Klimaschützer, er speichert weniger Kohlenstoff als er in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre abgibt. Die gute Nachricht der Bundeswaldinventur 2022: die Wälder werden strukturreicher und älter.

10.10.2024 – Positive und besorgniserregende Befunde zeigt die aktuelle Bundeswaldinventur 2022. Die Bestandsaufnahme der deutschen Wälder findet alle zehn Jahre statt und untersucht unter anderem die Verteilung von Baumarten, die Altersstruktur, Holznutzung und den Flächenbestand.

Die Bilanz zum Wald als Kohlenstoffspeicher fällt zum ersten Mal negativ aus. Seit 2017 ist der Wald vor allem durch den klimawandelbedingten Verlust an lebender Biomasse zur Kohlenstoff-Quelle geworden, der Kohlenstoffvorrat im Wald hat sich um 41,5 Millionen Tonnen verringert. Schäden durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall sind größer als der Zuwachs an lebender Biomasse. „Es braucht Geduld uns Ausdauer, um dies durch den Umbau der Wälder wieder umzukehren“, sagte Cem Özdemir bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Wir müssen schützen, was wir nutzen. Ein starker Wald heißt Klimaschutz für uns – da müssen wir hin.“

Diese negative Kohlenstoff-Bilanz ist deshalb so alarmierend, weil der Wald als Kohlenstoffsenke in den Klimaschutzszenarien der Bundesregierung fest eingeplant ist. Fällt er als Kohlenstoffspeicher aus, sind die Klimaziele nicht erreichbar.

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Umgang mit alten Bäumen

So manche Diskussion wird wohl um den Umgang mit alten Bäumen und Totholz entbrennen. Der Wald war im Jahr 2022 durchschnittlich 82 Jahre alt – fünf Jahre älter als noch 2012. Der Totholzanteil ist um 32 Prozent gestiegen. Die Zunahme alter Bäume und des Totholzanteils fördert die biologische Vielfalt im Wald. Alte Bäume verfügen häufiger als junge Bäume über besondere Mikrohabitate wie Grobborke, Kronentotholz, Brettwurzeln, Astabbrüche oder Spechthöhlen. Viele, auch seltenere, auf bestimmte Zerfallsphasen spezialisierte Arten sind auf diese Mikrohabitate angewiesen.

Die Kehrseite der Medaille: Mit zunehmendem Alter binden Bäume weniger Kohlenstoff. Außerdem nimmt der Zuwachs je Hektar im hohen Alter ab. Totholz zersetzt sich und gibt dabei den Kohlenstoff in Form von Humus an den Boden und als Kohlendioxid an die Atmosphäre ab.

Zusätzlich müssten Arten in die vorhandenen Wälder integriert werden, die im Klimawandel besser an den Standort angepasst sind. Die Konsequenz, wie sie das Thünen-Institut formuliert: Auch alte Bäume sollten genutzt werden, um das Durchschnittsalter im Wald zu senken. Zur Förderung der Biodiversität sollten ökologisch besonders wertvolle Baumindividuen im Wald stehen bleiben.

Die positiven Ergebnisse – Mehr Waldfläche, mehr Laubbäume, mehr Vielfalt

Mehr Waldfläche: Obwohl 66.000 Hektar Wald seit der letzten Inventur im Jahr 2012 in Grünland oder für andere Nutzungen umgewidmet wurden, hat die Waldfläche durch Neuaufforstungen insgesamt um 15.000 Hektar zugenommen. Derzeit gibt es 11,5 Millionen Hektar Wald in Deutschland. Das heißt, ein Drittel der Landfläche ist mit Wald bedeckt.

Mehr Vielfalt: Mit 79 Prozent Flächenanteil sind Mischwälder die prägende Form. Seit 2012 ist der Flächenanteil um drei Prozent gewachsen. Nadelwälder kommen immer noch vergleichsweise häufig als Reinkulturen vor: Lediglich 61 Prozent der Kiefern- und 75 Prozent der Fichtenwälder sind durchmischt. Alle anderen Waldflächen sind stärker gemischt.

Mehr Naturverjüngung: Auf rund drei Millionen Hektar Wald wächst bereits eine neue Generation an Bäumen heran. 91 Prozent davon sind auf Naturverjüngung zurückzuführen. Gegenüber der letzten Bundeswaldinventur hat diese um weitere sechs Prozentpunkte zugenommen.

Mehr Laubholz, weniger Fichte: Kiefer, Fichte, Buche, Eiche – diese vier Baumarten bestimmen das Antlitz von 71 Prozent der Wälder. Doch das Bild wandelt sich. War die Fichte bisher die dominierende Nadelbaumart, so hat sich dies bedingt durch Stürme, Dürren und die massenhafte Vermehrung des Borkenkäfers deutlich geändert. Sie hat im Vergleich zu 2012 rund 460.000 Hektar an Fläche verloren. Fichte findet sich noch auf 2,3 Millionen Hektar bzw. auf 20,9 Prozent der Waldfläche. Mit 2,4 Millionen Hektar Fläche ist mittlerweile die Kiefer zur Baumart mit der größten Verbreitung geworden. Doch auch sie verliert im Klimawandel – minus 41.000 Hektar seit 2012.

Bei den häufigen Laubholzarten Buche und Eiche sind die Flächenanteile um jeweils mehr als ein Prozent gestiegen (Buche: auf 16,6 Prozent, Eiche: auf 11,5 Prozent). Aktuell zeigen sich jedoch bei beiden Arten Trockenstress-Symptome, die während der Erhebungen 2022 noch nicht sichtbar waren.  

Alle zehn Jahre ist Inventur

Deutschlands Wälder werden alle zehn Jahre inventarisiert. 100 Inventurtrupps vermessen mehr als 520.000 Bäume und beschreiben an 80.000 genau definierten Punkten in den Wäldern, was sie vorfinden: Anzahl, Art und Durchmesser der Bäume, den Bewuchs darunter, das Totholz – insgesamt werden knapp 150 Kriterien aufgenommen. Die Bundeswaldinventur (BWI) ist das Kontrollinstrument der nachhaltigen Waldwirtschaft, gemäß Bundeswaldgesetz gemeinsam organisiert von Bund und Ländern. 2021 und 2022 fand sie zum vierten Mal statt. Das Thünen-Institut koordiniert die BWI im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und wertet sie aus. Berechnet werden unter anderem Waldfläche, Holzvorrat, Holzzuwachs und Holznutzung, Baumartenvielfalt, Altersaufbau, Totholz und Naturnähe sowie Biomasse und Kohlenstoffspeicherung. Erstmals wurden bei der aktuellen BWI Proben zur Ermittlung der genetischen Vielfalt gesammelt. Für regionale Auswertungen werden zusätzlich zu den vor Ort gesammelten Daten auch Fernerkundungsdaten verwendet. pf

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