KlimaaktivismusGefängnisstrafe für Sitzblockade

Sitzblockade-Aktion der Letzten Generation in München
Das Klima wird härter für radikale Klimaaktivisten (Bild: Letzte Generation / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

In dieser Woche verhängte ein Gericht in Berlin die bisher höchste Strafe für einen Aktivisten, der an Sitzblockaden der Letzten Generation teilgenommen hat. Strafen für Aktionen von Klimaaktivisten, die die öffentliche Ordnung stören, werden härter.

30.08.2024 – In Deutschland wurde in dieser Woche ein Klimakleber zu nahezu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Der 65-Jährige hatte in den vergangenen beiden Jahren an mehreren Klimaprotesten der Letzten Generation teilgenommen.

Das Klima für die Klimaaktivisten wird seit Monaten härter. Nach mehreren Freisprüchen, Verwarnungen oder drei- bis vierstelligen Geldstrafen verurteilen europäische Gerichte Klimaaktivisten für Aktionen wie Sitzblockaden zunehmend zu Gefängnisstrafen. Am extremen Rand steht Großbritannien, das Klimaaktivisten schon für das Planen einer Aktion für mehrere Jahre hinter Gitter schickt.

Hartes Klima für Klimaaktivisten

In den vergangenen Jahren wurden bereits vereinzelt Klimaaktivisten zu kurzen Haftstrafen verurteilt. Drei Männer von der Bewegung Just Stop Oil klebten sich zum Beispiel 2022 an das berühmte Vermeer-Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Ein Gericht in Den Haag schickte sie für die Aktion für jeweils zwei Monate hinter Gitter. Die Haftstrafe erschien vielen damals trotz der schockierenden Aktion als harte Maßnahme für einen im Grunde friedlichen Protest. Das Gemälde selbst war bei der Aktion nicht beschädigt worden.

Im April dieses Jahres verurteilte ein Gericht in Berlin dann drei Klimaaktivsten der Letzten Generation zu jeweils rund acht Monaten Gefängnis auf Bewährung. Die Aktivisten hatten 2023 das Brandenburger Tor mit Farbe beschmiert. Mit dem Urteil sind sie jedoch noch nicht aus der Schneider: Das Land Berlin verklagt sie auf Schadensersatz im Wert von über 140 Tausend Euro. Das Gericht hat sich bisher noch nicht mit dem Verfahren befasst. Andere Klimaaktivisten der Letzten Generation mussten bereits zahlen, und zwar an die Polizei. Für ihre Einsätze verlangt die Bundespolizei insgesamt rund 6400 Euro Gebühren von 16 Klimaaktivisten. Gegen den Großteil der Bescheide könne nicht mehr vorgegangen werden, berichtet der rbb.

Auch Klimaaktivisten, die die Weltzeituhr am Berliner Alexanderplatz mit Farbe beschmiert hatten, erhielten Geldstrafen zwischen 600 und 2100 Euro. Das Gericht blieb mit dem Urteil deutlich hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft zurück, die Bewährungsstrafen und eine Haftstrafe gefordert hatte.

Einsitzen fürs Sitzen

Besonders gegen wiederholt auftretende Aktivisten zeigten die Gerichte in den vergangenen Monaten zunehmend Härte. Im Mai dieses Jahres wurde bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft München gegen sieben Mitglieder der Letzten Generation wegen des Tatvorwurfs der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" ermittelt.

Eine 32-jährige Aktivistin wurde im Juli für eine Reihe von Sitzblockaden auf Straßen und Flughäfen sowie Farbattacken zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.   

Anfang dieser Woche fiel dann das wohl bisher härteste Urteil gegen ein 65-jähriges Mitglied der Letzten Generation. Für seine Teilnahme an 40 Aktionen in den Jahren 2022 und 2023 soll der Klimaaktivist ein Jahr und acht Monate ohne Bewährung in Haft. Verurteilt wurde er wegen Nötigung, versuchter Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, berichtet die Tagesschau. Ein Jahr wurde dabei für eine einzige Blockade-Aktion verhängt. Die Staatsanwaltschaft hatte mehr als zwei Jahre Haft gefordert, die Verteidigung einen Freispruch. Der letzten Generation nach will der Klimaaktivist Revision einlegen. Sein Anwalt kritisiert das Urteil scharf. Die Hohe Gefängnisstrafe stehe in keinem Verhältnis mit den Taten des nicht vorbestraften Angeklagten, der ausschließlich an Sitzblockaden teilgenommen hatte.

Hart, härter, Großbritannien

In Großbritannien haben Strafen für Proteste, die die öffentliche Ordnung stören, eine gänzlich andere Dimension erreicht. Nach einer Gesetzesnovelle wurden dort in den vergangenen Monaten mehrere Klimaaktivisten zu mehrjährigen Haftstrafen für einzelne Aktionen verurteilt.

Zwei Aktivisten, die auf eine Brücke geklettert und damit lange Staus verursacht hatten, wurden zu gut zweieinhalb und drei Jahren Haft verurteilt. Schließlich erhielt eine Gruppe von fünf Just-Stop-Oil-Aktivisten im Juli Rekordhaftstrafen dafür, sich zur Blockade einer Autobahn verschworen zu haben. Vier der Klimaaktivisten erhielten vier, einer fünf Jahre Haft. Ausgeführt worden war die Aktion nicht.

Im vergangenen Jahr hatte die CDU/CSU-Fraktion auch in Deutschland härtere Strafen von drei bis fünf Jahren Haft für Klimaaktivisten am Beispiel Großbritanniens gefordert. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch im Parlament abgelehnt.

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Für das Klima protestieren

Klimaaktivisten, die Gemälde und Gebäude mit Farbe beschmieren, sich auf Straßen festkleben, Autobahnen oder Flughäfen blockieren, stehen am radikalen Ende der Klimabewegung. Ihr Protest soll schockieren, aufrütteln. Sie berufen sich dabei selbst auf die Tradition des zivilen Ungehorsams: Sie begehen wissentlich Straftaten, um auf das höhere Unrecht der Klimakrise aufmerksam zu machen. In Deutschland zählen zu ihnen die Bewegungen Extinction Rebellion, Ende Gelände und die Letzte Generation.

Bei aller Kritik an rechtswidrigen Protestformen bleibt, dass Botschaft und Forderungen der Aktivisten nicht falsch sind.„Es ist leicht, sich über Klimaaktivisten aufzuregen. Doch auch wenn manche es nicht wahrhaben wollen: die eigentlich empörende Gefährdung für uns geht von all denen aus, die Klimaschutz verschleppen und verzögern“, schreibt der Klimatologe Stefan Rahmstorf auf Twitter. Rahmsdorf leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. jb

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