Nachhaltige LieferkettenEU will Schutz vor Entwaldung aufschieben

Rodung von Regenwald in Borneo
Für den europäischen Konsum von Rindfleisch, Soja, Palmöl, Leder oder Gummi werden weltweit Wälder gerodet. (Foto: IndoMet in the Heart of Borneo auf Wikimedia / CC BY 2.0)

Für Konsumgüter, die in Europa verkauft werden, soll anderswo in der Welt kein Wald abgeholzt werden. Aber die Entwaldungsverordnung soll nun ein Jahr später als geplant in Kraft treten. Die Unternehmen bräuchten noch mehr Zeit zur Vorbereitung.

08.10.2024 – Eigentlich hätte die Entwaldungsverordnung Ende 2024 in Kraft treten sollen. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 2. Oktober sollen die Unternehmen jedoch noch zwölf Monate Aufschub erhalten. Das Europäische Parlament und der Rat müssen dem Vorschlag noch zustimmen.  

Als gute Nachricht werteten das Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und der der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer Volker Treier. Noch besser als eine Verschiebung um zwölf Monate wäre nach Auffassung von Treier "eine Aussetzung für mindestens zwei Jahre".

Verzögerung des Entwaldungsschutzes hat Folgen für den Klimaschutz

Die Nichtregierungsorganisation Earthsight sieht das anders: durch den Aufschub um ein Jahr würden 2.300 Quadratkilometer Wald zerstört. Diese Zahl stammt laut Earthsight aus EU-eigenen Studien. „Anders ausgedrückt bedeutet das, dass für jede Minute, die das Gesetz verzögert wird, eine weitere Fläche von der Größe eines Fußballfeldes mit Bulldozern niedergewalzt wird. Die Folgen für das Klima sind enorm: Die daraus resultierenden Emissionen entsprechen denen von 18 Millionen Autos“, heißt es in einer Presseerklärung von Earthsight.

Demnach treibt eine Handvoll weltweit gehandelter Rohstoffe die fortschreitende Zerstörung der Wälder der Welt voran. Durch den Konsum von Rindfleisch, Soja, Palmöl, Leder, Gummi und Holz, das aus Abholzungs-Hotspots wie Brasilien und Indonesien importiert wird, seien die europäischen Verbraucher zutiefst mitschuldig. Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) werde dringend gebraucht, um diese Komplizenschaft zu beenden.

Die Ankündigung der Europäischen Kommission kommt nach Monaten intensiver Lobbyarbeit von Industrieverbänden. Earthsight hat herausgefunden, dass viele derjenigen, die am lautesten nach Verzögerungen oder einer Schwächung der EUDR rufen, mitschuldig an den Schäden sind, die das Gesetz verhindern soll. Sie haben von den Zerstörungen profitiert, die die Produktion dieser Waren in den letzten 20 Jahren angerichtet hat. Ihre Forderungen seien eigennützig.

Österreich als starker Widersacher

Der einflussreichste Widerstand kam laut Earthsight nicht aus dem Ausland, sondern aus der EU, angefangen vom österreichischen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig im Namen der Land- und Forstwirtschaftslobby des Landes, der von unnötigen Belastungen für ihre "risikoarme" Produktion von Rindfleisch und Holz spricht.

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Doch die österreichische Viehwirtschaft mache sich durch den Konsum von brasilianischem Soja für Tierfutter mitschuldig an der Abholzung der Tropenwälder. Jährlich werden rund 500.000 Tonnen Soja und Sojaschrot vor allem aus Argentinien, Brasilien und den USA nach Österreich importiert, um den Futterbedarf in der Schweine- und Geflügelhaltung zu decken. Die bisherigen Recherchen von Earthsight haben außerdem gezeigt, wie sich Österreichs weltweit führende holzverarbeitende multinationale Unternehmen des Imports von illegal gewonnenem Holz schuldig gemacht haben.

Die Europäische Kommission begründet den Aufschub damit, dass einige Unternehmen noch nicht bereit seien, die EUDR in Kraft zu setzen. Aber das Gesetz ist schon seit Jahren in der Pipeline. „Unternehmen, die sich nicht vorbereitet haben, sind selbst schuld. Die Millionen von Menschen, die weltweit unter den Folgen des unregulierten Verbrauchs in der EU leiden, sollten nicht eine Minute länger leiden müssen“, fordert Earthsight.

Seit der Verabschiedung der EUDR im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Wälder für das Klima noch wichtiger sind als gedacht, und dass der Punkt, an dem es zu spät sein könnte, sie zu retten, früher kommen könnte, als sich irgendjemand vorzustellen wagte. Sowohl die Bedeutung als auch die Dringlichkeit der Entwaldungsverordnung sind unbestreitbar, eine Verzögerung nicht akzeptabel. pf

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