WärmewendeImmer mehr Menschen können sich das Heizen nicht leisten

Qualmende Schornsteine auf Häusern im Winter
Für Menschen mit niedrigen Einkommen ist Heizen besonders teuer (Bild: pxhere, Public Domain)

Angesichts steigender fossiler Energiepreise und schlecht gedämmter Häuser wird Heizen zunehmend zum Luxusgut. Für Menschen mit niedrigen bis mittleren Einkommen braucht es neue soziale Lösungen.

30.07.2024 – Rund 3,1 Millionen Haushalte in Deutschland gelten hinsichtlich ihrer Wärmeenergieausgaben als benachteiligt. Das ist eines der Ergebnisse des neuen Berichts Soziale Aspekte der Gebäude-Energiewende, der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut. Bei rund 43 Millionen Haushalten in Deutschland liegt der Anteil derer die übermäßig belastet werden bei 8,2 Prozent im letzten Jahr. 2021 waren es noch 3,3 Prozent.

2021 wurde in Deutschland ein CO2-Preis für Gebäude eingeführt. Das Heizen mit den fossilen Brennstoffen Gas und Öl bekam einen Preis pro Tonne verursachten CO2. Von Anfangs 25 Euro, stieg dieser auf inzwischen 45 Euro pro Tonne. 2027 wird eine entsprechende Bepreisung europaweit eingeführt. Viel mehr noch aber belastete die Haushalte der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Im Jahresmittel 2022 wurde Gas, das knapp 50 Prozent der deutschen Haushalte mit Wäre versorgt, mehr als doppelt so teuer, wie noch 2021 und stieg von vormals ca. sieben Cent pro Kilowattstunde auf über 16 Cent/kWh.

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Laut Öko-Institut fallen unter die Haushalte mit übermäßiger Belastung fürs Heizen alle, die in einer Wohnung mit einem Energieverbrauch von mehr als 180 kWh/m2 leben, einen hohen Anteil ihrer Gesamtausgaben für Wärme aufwenden und in der unteren Einkommenshälfte angesiedelt sind. Besonders überraschend sei, dass nahezu jeder siebte Haushalt in mittleren Einkommensschichten zu dieser Gruppe gehört.

So geben im Durchschnitt Haushalte, die zur Miete wohnen und für die Energiekosten zu niedrige Einkommen haben, 32 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aus. Zum Vergleich: Bei Menschen mit hohen Einkommen sind es im Durchschnitt nur 14 Prozent des Einkommens. Bei Eigentümer:innen mit geringen Einkommen liegt der Wohnkostenanteil bei 18 Prozent, während er bei Haushalten mit hohen Einkommen nur 13 Prozent beträgt.

Eingeteilt wurden die Haushalte in der Analyse in drei Gruppen: In die 30 Prozent der Haushalte mit geringen Einkommen, die mittleren 40 Prozent und die 30 Prozent der Haushalte mit hohen Einkommen. Betroffen von zu hohen Energiepreisen sind vor allem Rentnerinnen, Studierende, Auszubildende und Arbeitslose und damit tendenziell viele jüngere und ältere Menschen. Auch finden sich in der Gruppe der unteren dreißig Prozent sehr häufig Einpersonenhaushalte und Haushalte von Alleinerziehenden, insbesondere alleinstehenden Frauen.

Was Sanieren und eine Erneuerbare Heizung bringen

Was eine Sanierung und Umstellung auf Erneuerbare Energien als Energieträger ausmacht, zeigt eine Beispielrechnung: Vorausgesetzt wird eine Familie mit einem Nettoeinkommen von 2.600 Euro im Monat. In einem unsanierten Haus und mit Gastherme (Energieeffizienzklasse G) zahlt die die Familie 3.186 Euro im Jahr fürs Heizen. im gleichen vollsanierten Haus mit Wärmepumpe (Effizenzklasse B) hingegen sinken die Kosten auf nur noch 786 Euro im Jahr. Eine Ersparnis von 2.394 Euro pro Jahr oder 200 Euro pro Monat und rund 8 Prozent des Einkommens.

Ähnliche Ergebnisse liefert eine kürzlich veröffentlichte Studie der Prognos AG, im Auftrag des WWF. Demnach kosten eine fehlende Gebäudesanierung und Verbleib beim Gaskessel bis 2045 bis zu 24.000 Euro mehr als die Vollsanierung und Umstellung auf eine Wärmepumpe. Doch statt einer nötigen jährlichen Sanierungsrate von zwei bis drei Prozent, dümpelt diese bei gerade einmal 0,7 Prozent im Jahr 2023. Und die Auftragsbücher der Baubranche sind weiter leer.

Vorschläge des WWF Sanierungen Schwung zu verleihen sind unter anderem: die Einführung des Einkommensbonus auch für Gebäudesanierungen (vergleichbar zur aktuellen Förderung von EE-Heizungen) und die Übernahme der Investitionskosten durch den Staat mit vereinbartem Tilgungsplan (beispielsweise über höhere Steuerbelastung). Bei Mehrfamilienhäusern brauche es bessere Kostenfairness, damit sich auch hier die Sanierung für alle lohnt. Für eine gesellschaftlich verträgliche Sanierungsoffensive sollte demnach mindestens die Warmmietenneutralität sichergestellt werden, das heißt, dass Mieter:innen nicht durch die Umlage der Sanierungskosten mehrbelastet werden, obwohl sie Energiekosten einsparen.

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Auch Corinna Enders, Vorsitzende der dena-Geschäftsführung, sagt: „Ohne eine sozial gerechte Ausgestaltung der Energiewende im Gebäudebereich und einer fairen Verteilung von Kosten und Nutzen wird es dem Großprojekt an Akzeptanz und Unterstützung fehlen. Daher ist es wichtig, soziale Aspekte von Anfang an mitzudenken.“ Bestehen beim Heizungstausch in Deutschland schon Fördermöglichkeiten für niedrige Einkommen von bis zu 70 Prozent, ist dies bei Sanierungen bislang nur rudimentär vorhanden. Über einen KfW-Kredit gibt es bis zu 15 Prozent Ersparnis.

die dena verweist unter anderem auf das französische Programm „MaPrime Rénov'“. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich dort nach der Effizienzsteigerung und dem Einkommen. So können Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen für Komplettsanierungen, die in zwei oder mehr Klassen Energieeffizienzverbesserung resultieren, bis zu 80 Prozent der anfallenden Kosten erstattet bekommen. mg

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