Nordrhein-WestfalenMacht zum Nachteil der Windenergie genutzt

Abgerissene Autobahn und Windräder
Windräder in der Nähe des Tagebaus Garzweiler – für das ein Autobahnstück abgerissen wurde. Verantwortlich für die Region, die Bezirksregierung Arnsberg (Arne Müseler, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 de)

Die NRW-Landesregierung hat den Bezirksregierungen im Land viel Macht bei der Gestaltung des Windenergieausbaus gegeben. Das erweise sich nun als Nachteil, kritisiert der Landesverband Erneuerbare Energien. Etliche Projekte stehen auf der Kippe.

03.09.2024 – Die Genehmigung zum Bau von Windrädern außerhalb der künftigen Windenergiegebiete könne im Einzelfall von der Regionalplanungsbehörde ausgesetzt werden. So steht es im Landesplanungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Aus diesen Einzelfällen drohen aber viele zu werden, wie der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW letzte Woche kritisierte. So seien – einer internen Umfrage des Verbands unter seinen Mitgliedern zufolge – landesweit über 50 vorgesehene Windenergieanlagen mit mehr als 380 Megawatt (MW) Leistung von sogenannten Rückstellungen betroffen.

Bis Ende 2025 hat die Landesregierung zum Ziel gesetzt, Regionalpläne auszuarbeiten, in denen neue Windenergiegebiete festgelegt werden. Bis dahin gelten Vorgaben aus Baugesetzbuch und Bundesimmissionsschutzgesetz. Und Bezirksregierungen dürfen Genehmigungsanträge für neue Windenergieanlagen so lange zurückstellen, bis die Regionalpläne beschlossen sind.

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LEE NRW-Vorsitzender Hans-Josef Vogel sagt: „Wir hatten die Landesregierung vor dieser Rückstellungsklausel gewarnt, weil sie sich als Bumerang erweisen könnte. Genau das bewahrheitet sich jetzt, weit über 50 Rückstellungsbescheide sind über 50 Eigentore, die nicht hätten sein müssen.“ Die Einschätzung der Landesregierung, dass es nur Einzelfälle gebe, sei öffenbar falsch. Das Wirtschafts- und Energieministerium NRW teilte auf Anfrage des WDR mit, dass allein im Verantwortungsbereich der Bezirksregierung Arnsberg 65 Windräder betroffen seien.

Vogel weiter: „Es ist davon auszugehen, dass die nun zurückgestellten Windenergie-Projekte überhaupt nicht mehr gebaut werden, da die Flächen außerhalb der noch zu genehmigenden Regionalpläne liegen.“ Damit seien zig Millionen Euro an Vorlaufkosten für Gutachten, Rechtsberatungen oder Arbeitsstunden in den Sand gesetzt. Vogel erwartet, dass die Investoren gegen die Aussetzungsbescheide klagen werden: „Das ist keine wünschenswerte Visitenkarte für die Windenergiepolitik von Schwarz-Grün.“

Licht und Schatten im Land

Immerhin will die Landesregierung Flächenausweisungen in den Regionalplänen sieben Jahre früher bekannt geben als von der Bundesregierung in ihrem Wind-an-Land-Gesetz vorgesehen. Und das Ende letzten Jahres verabschiedete Bürgerenergiegesetz verpflichtet Projektierer in NRW dazu betroffene Gemeinden an Windenergieanlagen zu beteiligen.

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Mirco Sieg ist Experte für kommunalen Klimaschutz bei der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen (NRW.Energy4Climate)

Porträtfoto Mirco Sieg

Zugleich aber gestattet die Landesregierung den Verantwortlichen in den Bezirken viel Freiraum bei der Ausweisung von Flächen. Das führt dazu, dass einzelne Bezirke wieder Abstandsregeln für Windräder einführen, die zuvor im Düsseldorfer Landesparlament abgeschafft wurden. Die Regel, die einen Abstand von mindestens 1.000 Metern zu den nächsten Wohnhäusern festschrieb, wurde am 25. August 2023 mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen aufgehoben.

Der Regierungsbezirk Arnsberg etwa hat die 1.000 Meter Abstandsregel wieder eingeführt, erschwerend kommt eine 440 Meter Abstandsregel zu „touristisch bedeutsamen“ Wanderwegen, Seen oder Aussichtstürmen hinzu. Auch der Regierungsbezirk Detmold sieht die Wiedereinführung der 1.000 Meter Regel vor. Zudem schließen Planer:innen die Nutzung von Flächen in Nutzwäldern für den Bau neuer Windenergieanlagen aus.

In Köln machen Luftwaffe und Geologischer Dienst dem Windenergie-Ausbau das Leben schwer. Um den Anflug der Flugzeuge auf die Militärflughäfen Nörvenich und Geilenkirchen zu sichern, drängt die Luftwaffe für die dort vorgesehenen Flächen auf eine Höhenbegrenzung möglicher Windenergieanlagen von unter 200 Metern Gesamthöhe. Das mache dem Bau moderner Windenergieanlagen einen Strich durch die Rechnung, kritisiert der LEE NRW. Und 30 seismologische Stationen in der Kölner Bucht würden die Errichtung neuer Windturbinen erschweren, da der Geogische Dienst des Landes auf zu große Abstände zwischen den Messstationen und den Windparks besteht.

Bis auf den Regierungsbezirk Düsseldorf seien alle bislang vorliegenden Entwürfe der Bezirke in NRW für die Regionalpläne unzureichend, so der LEE NRW. Dabei hatte Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr bei Zuschlägen, Genehmigungen und Bau neuer Windenergieanlagen deutlichen Aufwind zu verzeichnen. 110 Windenergieanlagen mit einer Netto-Leistung von gut 430 MW gingen letztes Jahr neu in Betrieb. Allein die vom LEE NRW genannten Windenergieprojekte, die von Rückstellungen betroffenen sind, würden 85 Prozent des letztjährigen Zubaus ausmachen. mg

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