StrommarktdesignNeue Regeln für den zukünftigen Strommarkt

Kinder auf einer Wiese unter Strommast
Ein Stromsystem, das vor allem mit erneuerbaren Energien gespeist wird, braucht andere Regeln als das veraltete von fossilen Kraftwerken dominierte System. (Foto: Unsplash+ mit Getty Images / Unsplash+ Lizenz)

In vier Handlungsfelder teilt das BMWK die Aufgaben zur Umgestaltung des Strommarktes auf. Die Vorschläge zum neuen Strommarktdesign stehen nun für kurze Zeit zur Diskussion, bevor der Systemwechsel mit neuen Gesetzen eingeläutet werden soll.

06.08.2024 – Für das Stromsystem steht ein Paradigmenwechsel an – das bisherige System inflexibler Nachfrage und statischer Erzeugung muss überführt werden in ein System mit kostengünstiger variabler Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik, gepaart mit Speichern, einer flexiblen Nachfragesteuerung und flexiblen Kraftwerken als Back-up. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dafür jetzt Vorschläge gemacht, die bis Ende August zur Diskussion stehen. Danach soll das Stromsystem endlich passend zu den erneuerbaren Erzeugungsarten umgestaltet werden.

Die „Optionen für das zukünftige Strommarktdesign“ enthält die Beschreibung von vier Handlungsfeldern, für die wiederum verschiedene Optionen der Gestaltung vorgeschlagen werden. Die Handlungsoptionen basieren im Wesentlichen auf den Diskussionen in der Plattform klimaneutrales Stromsystem.

Weiterentwicklung EEG – Investitionen in Erneuerbare anders anreizen

Es gibt mehrere Gründe, die bisherigen Anreize zum Bau neuer EE-Anlagen zu reformieren. Zum einen ist der staatlich garantierte Mindestpreis– die gleitende Marktprämie bzw. die EEG-Vergütung – europarechtlich nur noch bis Ende 2026 zulässig. Die EEG-Vergütung bot in der Vergangenheit Investoren und Banken ein hohes Maß an Sicherheit. Ab 2027 muss gemäß der EU-Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung ein zusätzliches Rückzahlungsinstrument (Claw-Back) installiert werden. Damit sollen Einnahmen, die über den Förderbedarf für die Investition hinaus gehen, abgeschöpft werden. Zum anderen birgt das existierende System inzwischen Erlösrisiken, die der Investor selbst nicht beeinflussen kann. In Zeiten hoher Erzeugung von Wind- und Solarstrom fallen die Preise, sind mitunter sogar negativ, das bedeutet auch für die Betreiber weniger Einnahmen.

Bereits im Wachstumspaket hatte die Bundesregierung einen Wechsel hin zu Investitionskostenzuschüssen angekündigt. In den Vorschlägen zum zukünftigen Strommarktdesign sind nun vier gangbare Wege dazu skizziert: zwei Modelle, die sich an der Erzeugung der jeweiligen Anlage orientieren und zwei Modelle, die erzeugungsunabhängig wirken sollen.  Jede der Optionen müsse jedoch weiter geprüft und ihre spezifische Ausgestaltung noch gefunden werden, denn der Systemwechsel müsse gut vorbereitet werden.

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Energiemarkt soll Erneuerbare priorisieren

Im Wachstumspaket kündigt die Regierung Maßnahmen zum Umbau des Strommarktes an. Auch neue Strategien wie der Umbau des Fördersystematik finden sich im Konzept. Zudem sollen die Regeln des Strommarktes Erneuerbare Energien zukünftig priorisieren.

Im Wachstumspaket hatte die Bundesregierung bereits eine Option präferiert – eine Kapazitätszahlung mit produktionsunabhängigem Refinanzierungsbeitrag. Dabei erhält der Anlagenbetreiber als Investitionsschutz gestreckt über einen längeren Zeitraum eine Zahlung für die installierte Leistung, also eine fixe Vergütung je Kilowatt Leistung. Zusätzlich würde ein produktionsunabhängiger Refinanzierungsbeitrag fällig. Das BMWK sieht in diesem Ansatz die besten Chancen auf einen effizienten Anlageneinsatz und eine systemdienliche Auslegung der Anlagen. Der noch festzulegende neue Förderansatz soll, bevor er flächendeckend gilt, zunächst über ein Reallaboregesetz in Pilotausschreibungen getestet werden.

Das bewährte Absicherungssystem des EEG durch unzureichend diskutierte Modelle ersetzen zu wollen, davor hatte unter Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, gewarnt.

Unabhängig davon, welche der vier Optionen am Ende zum Tragen kommt, gilt: Perspektivisch werden Erneuerbare Energien keine Förderung mehr erhalten, sobald der Strommarkt ausreichend flexibel ist und ausreichend Speicher zur Verfügung stehen.

Den Bau steuerbarer Kapazitäten anreizen

Neben den Investitionsanreizen für viele dezentrale Erneuerbare Anlagen ist im neuen Strommarktsystem für die Versorgungssicherheit eine ausreichend hohe Erzeugungskapazität notwendig, die kurzfristig verfügbar ist, wenn Erzeugungsengpässe auftreten. Die Frage, wie diese Kapazitäten vergütet werden bzw. Investitionen in deren Schaffung unterstützt werden, ist ein weiteres Element des neuen Strommarktes. Es gilt, einen Kapazitätsmechanismus zu finden, der möglichst effizient ist, d.h. die Versorgungssicherheit gewährleistet und unnötige Kosten vermeidet. Auch hierfür eröffnet das BMWK vier Optionen. Ebenfalls gilt es europarechtliche Vorgaben zu beachten.

Der vom BMWK präferierte Vorschlag ist ein Mix aus staatlich gesteuerten zentralen Elementen und dezentralen Elementen, die sich marktorientiert ergeben. Über Ausschreibungen sollen jährliche Kapazitätszählungen an Anlagenbetreiber gezahlt und damit die Schaffung dieser Kapazitäten angereizt werden. Zusätzlich sollen dezentrale Akteure ihre Spitzenlast mit Kapazitäten absichern, indem sie Zertifikate kaufen oder selbst Reservekraftwerke oder Großspeicher bereithalten.

Einen solchen kombinierten Kapazitätsmarkt begrüßt der Verband Kommunaler Unternehmen. Das schaffe eine große Akteursvielfalt, die Einbindung dezentraler Anlagen und erhöhe in Summe die Stabilität der Stromversorgung.

Umgang mit Netzengpässen

Lokale Strompreissignale bzw. der Umgang mit Netzengpässen ist das dritte Handlungsfeld auf der Agenda des BMWK. Man bekennt sich ausdrücklich zum Erhalt der einheitlichen deutsch-luxemburgischen Gebotszone. Die Aufteilung der Gebotszone und damit die Schaffung kleinerer Strommärkte hatte in den letzten Wochen Befürworter und Kritiker auf den Plan gerufen. Ein gemeinsamer Appell von BEE, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Verband Kommunaler Unternehmen, Bundesverband der Deutschen Industrie, Verband der Automobilindustrie und weiterer Verbände hatte viele Argumente für den Erhalt einer einheitlichen Gebotszone zusammengefasst.

Dennoch, das Strommarktdesign muss um die Dimension Lokalität ergänzt werden, so die Auffassung des BMWK. Auf drei Wege wird näher eingegangen: zeitlich und regional differenzierte Netzentgelte, die regionale Steuerung über Förderung sowie flexible Lasten im Engpassmanagement. Das BMWK kündigt eine Flexibilitätsagenda an, um diese Optionen effizient auszuspielen.

Anreize für flexible Stromnachfrage

Der vierte Hebel schließlich ist die nachfrageseitige Flexibilität. Während im fossilen Stromsystem eine kontinuierliche Stromnachfrage optimal war, gilt es jetzt, die Stromnachfrage flexibel anzupassen und in die Stunden zu verschieben, in denen Wind und PV günstigen Strom erzeugen. Damit können Netzausbaumaßnahmen geringer ausfallen und flexible Verbraucher auch von den niedrigen Preisen profitieren. Aber auch diejenigen Verbraucher, die selbst nicht flexibel sind, profitieren mittelbar, denn die durchschnittlichen Strompreise und Systemkosten sinken ebenfalls, wenn der Bedarf in den teuren Stromstunden abnimmt und zu günstigeren Stunden nachgeholt wird.

Flexibilität ergibt sich aus einem Technologiemix: flexible Kraftwerke, flexible Nachfrage, Speicher und leistungsfähige Stromnetze. Taktgeber in diesem dynamischen Zusammenspiel ist das Preissignal. Hohe Preise setzen einen Anreiz, den Verbrauch zu reduzieren und später bei
günstigeren Preisen nachzuholen. Bei niedrigen Preisen ist der Wirkmechanismus genau umgekehrt. Grundlage für nachfrageseitige Flexibilität sind dynamische und innovative Tarifmodelle.

Doch aktuell gibt es hierfür noch Hemmnisse, Preisreaktionen sind bisher wegen mangelnder Digitalisierung (Smart-Meter Ausbau) nur wenigen Verbrauchern möglich. Deshalb gilt es den Weg freizumachen für die dynamischen Tarifmodelle. Der Smart-Meter-Rollout und das Monitoring der neuen Tarife sind zentrale Aufgaben.

Neben dynamischen Stromtarifen können auch Netzentgelte handlungssteuernd gestaltet werden. Die Festlegung der Bundesnetzagentur zum § 14a EnWG, die vorsieht, dass Netzbetreiber ab 2025 auch ein zeitvariables Netzentgelt für Endkundinnen und Endkunden mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder E-Mobilen anbieten müssen, soll hier Abhilfe schaffen.

Nicht zuletzt gilt es, die Flexibilitätspotenziale der Industrie zu heben und Verhaltensmuster respektive Produktionsprozesse zu ändern. In Branchen, wo das nicht möglich ist, soll dennoch die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben, Unternehmen also nicht zu sehr mit hohen Strom- oder Netzentgelten belastet werden.

Der BEE begrüßt die Ankündigung einer Flexibilitätsagenda und spricht bisher blockierte Flexibilitätsoptionen der Erneuerbaren Erzeugung an – Bioenergie und Wasserkraft. Petra Franke

Kommentare

W.Posselt vor 3 Wochen

+332 Gut Antworten

Guten Tag!

Es muß für jedermann möglich sein Strom zu kaufen und zu verkaufen!

Die notwendige Technik ist vorhanden und bezahlbar!

Die Monopolstromversorger sträuben sich mit allen Mitteln gegen eine Dezentralisierung der Stromversorgung.

Sie verlieren ihr Monopol.

Die momentanen Durchleitungsgebühren sind viel zu hoch, da stoßen sich welche gesund.

Die Abrechnung und Messung flexibel über Internet zu organisieren ist längst überfällig! Digitalisierung!!!

Die Abschaltung von Wind- und Solaranlagen muß zu Lasten der Stromversorger gehen!

Der Zugang zum Netz darf nicht beliebig verteuert werden!

Staatliche Regulierungen sollten so gering wie möglich gehalten werden, dann braucht der Staat auch nicht subventionieren!

Eigenstromverbrauch reduziert alle technischen Steuerungsprobleme. Dezentralisierung!!

Monopole verschwinden nicht von selbst, sondern müssen zerstört werden!!

Ob von den Politikern jemand dies lesen wird??

Optimist Werner grüßt alle gleichgesinnten!

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