DIW-AnalyseSolarstrom effizient ins Stromsystem integrieren

PV-Flachdachanlage auf einem Parkhaus in Greifswald
Hier wird bereits marktorientiert gebaut: Die Mieter dieses Parkhauses in Greifswald können Ladepunkte bei der Energiegenossenschaft Inselwerke bestellen und erhalten einen Sondertarif für das Laden bei Sonnenschein. (Foto: Inselwerke eG)

Der starke Photovoltaik-Zubau lässt bisher vernachlässigte Baustellen der Energiewende deutlicher werden. Es gilt Flexibilitätspotenziale im Stromsystem zu heben – Erzeugung und Verbrauch über Preissignale marktorientierter zu gestalten.

19.08.2024 – In Deutschland werden mehr Solaranlagen gebaut als die Ausbaupfade vorsehen. Das ist gut, doch in sonnenreichen Mittagsstunden auch ein Problem fürs Stromsystem. Es gilt Preisanreize zu setzen, um Verbrauchs- und Erzeugerseite zum flexiblen Verhalten zu motivieren. Dies ist eine der Herausforderungen, auf die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im aktuellen Ampel-Monitor Energiewende näher eingeht.

Weil die Solarstromerzeugung stark auf die Mittagsstunden sonniger Tage konzentriert ist, kommt es zu zeitweisen Engpässen in den Stromnetzen, vor allem auf der Verteilnetzebene, wo die meisten Anlagen einspeisen. Aber noch ein anderer Effekt tritt immer öfter auf: sehr geringe oder gar negative Strompreise. Das rührt daher, dass der eingespeiste Strom auf dem Großhandelsmarkt angeboten wird und das Überangebot die Preise in den Keller purzeln lässt. Weil EEG-geförderte Anlagen dennoch die jeweilige Einspeisevergütung erhalten, wird die Energiewende insgesamt teurer.

Diese Entwicklung zeigt, dass die Flexibilität im Stromsystem nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, insbesondere der PV, Schritt gehalten hat, so ein Fazit der DIW-Analyse. Bereits vorhandene Flexibilitäten werden nicht immer optimal eingesetzt.

Vorhandene Flexibilitäten auch nutzen

So wurden zuletzt viele PV-Anlagen in Gebäuden in Kombination mit Batteriespeichern installiert. Diese erlauben es den Haushalten oder Gewerbetreibenden, den Anteil ihres selbst genutzten PV-Stroms zu vergrößern und damit hohe Eigenverbrauchsvorteile zu realisieren. Allerdings gibt es kaum Anreize, diese Speicher möglichst netz- oder marktorientiert einzusetzen, da weder die Einspeisevergütung noch in der Regel die Haushaltsstromtarife entsprechende Signale dafür geben: Vergütungen und Preise sind für jede Kilowattstunde gleich, unabhängig vom aktuellen Marktpreis.

Bei der Gebäude-PV sollte der Fokus daher künftig darauf liegen, Flexibilitätspotenziale durch PV-Batteriespeicher sowie durch Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen zu erschließen. Notwendige Voraussetzung ist die beschleunigte Installation von intelligenten Zählern. Dies würde dynamische Stromtarife für Prosumer ermöglichen, die sich am stündlichen Großhandelspreis orientieren. Der Eigenverbrauch würde dann marktorientierter stattfinden. Weitere Anreize könnten am Großhandelspreis orientierte Einspeisevergütungen bieten. Ein einfacherer, erster Schritt in diese Richtung könnten zeitlich variable Einspeisevergütungen sein, die in den Mittagstunden geringer sind als am Abend.

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Eckdaten zum Photovoltaik-Ausbau

Zurzeit sind knapp 91 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert, anvisiert waren 88 für das gesamte Jahr 2024. Haupttreiber hierfür ist ein kräftiger Zubau von kleineren PV-Anlagen auf Gebäuden, die aufgrund von Eigenverbrauchsvorteilen attraktiv sind. Eigenverbrauchsvorteile bestehen darin, dass der selbst erzeugte Strom vom Dach günstiger ist als der Netzbezug von Strom, bei dem Steuern und Entgelte anfallen. Darüber hinaus wird jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde mit einem festen Vergütungssatz vergütet.

Beim Ausbau der Freiflächenanlagen gibt es allerdings noch Luft nach oben, den Zubau über den derzeit geplanten Wachstumspfad hinaus voranzutreiben. Der Anteil der PV-Anlagen auf Freiflächen liegt seit Jahren bei rund 30 Prozent der installierten Gesamtleistung. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den weiteren Zubau der Photovoltaik hälftig auf Freiflächen- und Dachanlagen erfolgen zu lassen. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass Freiflächenanlagen deutlich günstiger zu errichten sind als Aufdachanlagen. Ein hälftiger Anteil wurde bisher jedoch noch in keinem Jahr erreicht, und auch im aktuellen Jahr 2024 wurden bis Mitte Juli erst 35 Prozent des Zubaus auf Freiflächenanlagen realisiert.

Eine Empfehlung der Autoren lautet, die Ausschreibungsmengen im Freiflächensegment nochmals zu erhöhen. Dies könnte aufgrund der beschriebenen Preisvorteile auch insgesamt die Ausbaukosten senken.

Die Zahl der medial zuletzt stark präsenten Balkonkraftwerke hat in den vergangenen beiden Jahren mit einem derzeitigen Gesamtbestand von rund 600.000 Anlagen zwar sehr stark zugenommen; aufgrund der kleinen Modulgrößen machen alle Balkonanlagen aber nur 0,5 Prozent der gesamten PV-Leistung in Deutschland aus. Regional ist die installierte PV-Leistung sehr ungleich auf die Bundesländer verteilt. Bayern ist mit einem Viertel der in Deutschland installierten Leistung Vorreiter. Am geringsten ist die PV-Leistung in den drei Stadtstaaten.

Niedrige Modulpreise, starke Import-Abhängigkeit

Ein wesentlicher Grund des zuletzt starken Wachstums ist der Verfall der Preise für Solarmodule.  Die aktuell niedrigen Preise lassen sich neben technologischen Fortschritten und Skaleneffekten bei der Produktion auch durch starke Überkapazitäten erklären. Die großen Produktionskapazitäten befinden sich vor allem in China – auf die starke Importabhängigkeit gehen die Autoren ebenfalls ein.

Eine Option zur Absicherung gegen mögliche Engpässe beim Bezug von Solarmodulen aus China sehen sie im Aufbau einer Modul-Reserve. Dazu könnten Module auf dem Weltmarkt gekauft und eingelagert werden, die beispielsweise dem geplanten Zubau von einem bis zwei Jahren entsprechen. „Möglich ist aber auch eine weitere Steigerung des Ausbaus, solange der Weltmarkt mit Modulen regelrecht überschwemmt ist“, erläutert DIW-Ökonom Wolf-Peter Schill. „Denn jedes heute bereits installierte Panel mindert die Notwendigkeit späterer Importe.“ pf

Kommentare

Hannes Allabauer vor 3 Wochen

+1649 Gut Antworten

Wo zu viel eingespeist würde muss viel gespeichert werden. Stromspeicher (Akkumulatoren) sind weltweit verbreitet - nur nicht in Deutschland! Dort werden Vorschriften erfunden und "Marktmechanismen" installiert aber keine intelligente Technik.

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