Reaktionen zum Optionenpapier des BMWKRingen um die neuen Regeln im Strommarkt

Personen gehen durch Solarpark
Die Regeln für den Strommarkt werden gerade neu geschrieben. Das erneuerbare Stromsystem braucht Flexibilitäten, die bisher brachliegen. (Foto: naturstrom AG / schubertofo)

Das Strommarktdesign soll Investitionen in Erneuerbare Anlagen fördern, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Ähnliches gilt für steuerbare Großkraftwerke und Anreize für Flexibilitäten – wichtige Bausteine für ein erneuerbares Stromsystem.

11.09.2024 – Das Kind ist groß geworden, alte Regeln müssen über Bord geworfen und neue ausdiskutiert werden. So in etwa könnte man die Aufgabe beschreiben, die gerade im Strommarkt ansteht. Die Energiewende ist vorangeschritten, die Erneuerbaren übernehmen, die Regeln des fossilen Strommarktes mit stetig rauchenden Schloten passen nicht mehr.

Die Vorschläge der Bundesregierung für ein neues Strommarktdesign liegen seit Anfang August in Form eines Optionenpapiers auf dem Tisch. Zu den einzelnen Handlungsfeldern hat die Regierung auch angedeutet, welche der Optionen sie bevorzugen würde. Inzwischen haben Verbände und Akteure ihre Stellungnahmen abgegeben.

Investitionen anders anreizen

Es gilt Abschied zu nehmen von der Marktprämie beziehungsweise einer feststehenden Vergütung für jede eingespeiste Kilowattstunde. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollen spätestens ab 2027 zusätzlich zu Vergütungen oder Investitionszuschüssen einen Rückzahlungsmechanismus einführen, der in Zeiten hoher Preise einen Teil der Einnahmen der Anlagenbetreiber an den Staat zurückführt. So sollen die Preise stabilisiert und langfristig gesenkt werden. Das Mittel der Wahl: Contracts for Difference, Differenzkostenverträge.

Für diese Aufgabe hat das BMWK vier Optionen vorgeschlagen, denen zwei verschiedene Ansätze zugrunde liegen: orientiert man sich bei der Berechnung an der tatsächlich von einer Anlage erzeugten Strommenge oder legt man die Leistung, also die Kapazität einer Anlage zugrunde? Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) befürwortet eindeutig ersteren Weg (Optionen 1 und 2), eine produktionsabhängige Lösung.  Die Optionen zu diesem Punkt seien verlässlich und kurzfristig umzusetzen, wobei der BEE die Option 1 „aus pragmatischen Gründen für das zielführendste Modell“ hält. Die Risiken für die Erneuerbaren Energien würden minimiert und gleichzeitig die Marktintegration der Erneuerbaren verbessert. Neben der Weiterentwicklung von Option 1 sollte auch eine Ausnahmeregelung für Kleinstanlagen gelten sowie Kostensteigerungen, beispielsweise über die Kopplung an einen geeigneten Index, berücksichtigt werden. BEE-Präsidentin Peter warnte davor, „in dieser sensiblen Phase der Energiewende riskante Experimente durchzuführen, die die neue Dynamik des Ausbaus fluktuierender Erneuerbarer Energien und die breite Akteursvielfalt gefährden.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist anderer Meinung und bevorzugt einen produktionsunabhängigen – rein auf der Kapazität einer Anlage – basierenden Weg. Damit teilt er die von der Bundesregierung bevorzugte Ausrichtung. Neue Anlagen würden in dieser Variante eher markteffizient eingesetzt.

Allerdings sieht der Verband die Gefahr, dass eine solche Lösung bis 2026 nicht in die Praxis umgesetzt werden kann und spricht sich deshalb vorerst dafür aus, zunächst ein Modell zu nehmen mit einer größeren Nähe zum bestehenden Modell, konkret der zweiseitige Differenzvertrag mit Marktwertkorridor. Wesentlich sei, dass dann aber Strommengen und nicht Zeiträume, wie bisher, gefördert werden. Eine solche Umstellung der Fördersystematik hatte auch der BEE bereits vorgeschlagen.

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Der Ökostromanbieter Greenplanet Energy macht auf eine Lücke aufmerksam. Im Optionenpapier fehle ein zentraler Punkt: das Zusammenspiel von staatlicher Absicherung über Contracts for Difference und der marktlichen Finanzierung über Grünstrom-Direktverträge, sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs). Wenn Anlagenbetreiber, wie jetzt vom BMWK vorgesehen, nicht mehr zwischen marktlicher und staatlicher Finanzierung wechseln können, stelle das ein enormes Investitionsrisiko dar. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen wäre es dann nicht mehr möglich, über ein PPA direkt grünen Strom zu beziehen. Greenplanet Energy stellt für diese Lücke einen eigenen Vorschlag zur Diskussion.

Tim Loppe, Leiter Politik und Medien beim Ökostromanbieter naturstrom, erklärt: „Durch eine Weiterentwicklung des Marktprämienmodells zum CfD lassen sich marktliche Anreize und weitgehende Kontinuität mit einem Abschöpfungsmechanismus bereits gut vereinbaren. Eine Investitionskostenförderung, wie sie das BMWK präferiert, sollte daher nicht in einer Hauruck-Aktion eingeführt werden, die die gerade erst entfachte Dynamik des Erneuerbaren-Zubaus aufs Spiel setzt.“

Steuerbare Großkraftwerke – Kapazitäten schaffen und vergüten

Neben den Investitionsanreizen für viele dezentrale Erneuerbare Anlagen ist für die Versorgungssicherheit eine ausreichend hohe Erzeugungskapazität notwendig, die kurzfristig verfügbar ist, wenn Erzeugungsengpässe auftreten. Die Frage, wie diese Kapazitäten vergütet werden bzw. Investitionen in deren Schaffung unterstützt werden, ist ein weiteres Element des neuen Strommarktes.

Der vom BMWK präferierte Vorschlag ist ein Mix aus staatlich gesteuerten zentralen Elementen und dezentralen Elementen, die sich marktorientiert ergeben. Auch hier unterscheiden sich die Meinungen der verschiedenen Akteure. Der VKU hatte dieses Modell schon frühzeitig unterstützt beziehungsweise befürwortet. Andere Verbände warnen vor zu viel Komplexität. Der BDEW will einen integrierten Kapazitätsmarkt, bei dem der Staat Vorgaben zur Versorgungssicherheit macht und bei der Erfüllung alle Technologien einbezogen werden. Der BEE kann dem Modell des kombinierten Kapazitätsmarktes einiges abgewinnen, für eine abschließende Bewertung sei aber die genaue Ausgestaltung entscheidend.

Flexibilität ist Trumpf

Anerkannt wird von den Akteuren im Strommarkt, dass das neue Strommarktdesign Flexibilitäten anreizt, ermöglicht und honoriert. „Flexibilität ist Trumpf. Gut, dass das BMWK dies mit seinem Papier ausdrücklich anerkennt“, sagt beispielsweise Tim Loppe von naturstrom. Aus Sicht von Simone Peter vom BEE sei die Entfesselung von Flexibilitäten im Strommarkt sogar die wichtigste Aufgabe. Die Optionen sollten umfassend analysiert und Schnellschüsse vermieden werden. Es dürfe nicht zu Systembrüchen kommen. pf

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