Tiefseebergbau in NorwegenDas arktische Meer ausbeuten

Svalbard
In der Tiefsee um die Inselgruppe Svalbard will Norwegen Tiefseebergbau genehmigen (Bild: Lurii Volkov / CC BY-SA 4.0 / via Wikimedia Commons).

Norwegen plant als erster Staat der Welt, Lizenzen für Tiefseebergbau zu vergeben. Dieser würde ohne Rücksicht in die Ökosysteme der Arktis und den globalen Kohlenstoffkreislauf eingreifen. Meeresexperten, NGOs und Länder verurteilen den Vorstoß.

11.10.2024 – Anfang des Jahres machte das norwegische Parlament als erstes Land der Welt den Weg frei für Tiefseebergbau in seinen Hoheitsgewässern. Bisher ist der Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee noch nirgendwo erlaubt. Über mögliche Rahmenbedingungen in internationalen Gewässern wird seit Jahrzehnten verhandelt. Greenpeace warnte bereits im Januar, dass es bisher auch keine Regulierungen für den Abbau in der norwegischen Tiefsee gibt.

Der kommerzielle Abbau von Mangan- und Kobaltkrusten soll in einem rund 281.200 Quadratkilometer großen Gebiet um die arktische Inselgruppe Svalbard erkundet werden. Greenpeace kritisiert in einer Analyse, dass Norwegen die Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausreichend geprüft hat, bevor es die Gebiete freigab. Der norwegische „Seabed Minerals Act“ sei nicht detailliert genug, Auswirkungen auf die Tiefsee würden nur oberflächlich und unzureichend abgehandelt.

Gegen den neuen Goldrausch

Unternehmen zeigten in den vergangenen Jahren zunehmend Interesse an den Ressourcen unter dem Meer. Für Digitalisierung und die grüne Wende werden große Mengen an Rohstoffen benötigt, die bisher nicht in entsprechenden Mengen abgebaut wurden. Kupfer, Mangan, Kobalt und Lithium sind anteilig in Gesteinen der Tiefsee zu finden. Sie alle stehen auf der Liste strategisch wichtiger Rohstoffe der EU.

Die Europäische Kommission hat sich allerdings gegen Tiefseebergbau ausgesprochen. Nachdem der Draghi-Report kürzlich die Exploration von Rohstoffen in der Tiefsee befürwortete, stellte die Europäische Kommission nach einer offenen Anfrage von NGOs klar, dass sie Tiefseebergbau weiterhin ablehne. Auch der Critical Raw Materials Act, der Rohstoffabbau in der EU fördern soll, erkenne Tiefseebergbau nicht als strategische Projekte an. Die Europäische Investmentbank will ebenfalls nicht in Tiefseebergbauprojekte investieren, da diese nicht mit Umwelt- und Klimazielen vereinbar seien.

Unerforschte Tiefen

Die Tiefsee ist eine wichtige Kohlenstoffsenke. Ihre Kohlenstoffkreisläufe beeinflussen das Klima, ihre Nahrungskreisläufe die Ökosysteme der gesamten Ozeane und darüber hinaus. Die Rohstoffvorkommen befinden sich laut Umweltbundesamt in 2.000 bis 6.000 Metern Tiefe, an den Hängen von Seebergen, auf Mittelozeanischen Rücken, am Tiefseeboden sowie am Boden des Roten Meeres. Sie sind Teil der Lebensräume und Ökosysteme der Tiefsee, dem Teil der Erde, über den am wenigsten bekannt ist. Bei Explorationen für Bergbauvorhaben wurden nicht nur zahlreiche neue Arten, sondern erst vor kurzem auch die Existenz von Dark Oxygen Production entdeckt. Die polymetallischen Knollen in der Clarion–Clipperton Zone, die Unternehmen abbauen wollen, sind an der Sauerstoffproduktion für das Ökosystem der Tiefsee beteiligt. Forscher gingen bisher davon aus, dass Sauerstoff in der Natur nur mit Hilfe von Sonnenlicht erzeugt werden kann. Diese und andere Entdeckungen, die das menschliche Verständnis der Erde erhellen, könnten durch Tiefseebergbau für immer zerstört werden.

Forscher sind sich einig, dass die Tiefsee nicht einmal ausreichend erforscht ist, um wissenschaftlich begründete Regeln zu ihrem Schutz aufzustellen. Um Rohstoff in den Tiefen des Meeres abzubauen, müssen mit gewaltigen Maschinen Gesteinsschickten abgetragen oder angehäuft werden. Dabei werden gewaltige Massen an Sedimenten der Umgebung aufgewirbelt, hoch oder höher gepumpt und letztendlich Teile entfernt. Tests zu möglichen Auswirkungen von Tiefseebergbau befanden, dass sich Ökosysteme auch nach mehr als 30 Jahren nicht von den Tests erholt hatten. Das liegt auch daran, dass sich die Lebewesen der Tiefsee sehr langsam entwickeln. Dies ist eine Anpassung an ihre unwirtliche Umgebung – viele haben einen langsamen Stoffwechsel und kommen monatelang ohne Nahrung aus. Die Ökosysteme der Tiefsee könnten also Jahrzehnte, vielleicht auch Jahrhunderte oder Jahrtausende brauchen, um sich zu regenerieren.

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In der Schwebe

Staaten sind sich weiterhin uneinig, ob in der Tiefsee in Zukunft Bergbau betrieben werden darf. Die Entdeckung von dunklem Sauerstoff, den Manganknollen mitproduzieren, unterstützt Stimmen, die ein Moratorium fordern. Erforschen, nicht ausbeuten.

Schätze auf dem Meeresgrund suchen, nicht ausbeuten

Die Stimmen für ein Moratorium sind laut. 800 Meeresbiologen und -experten fordern ebenso wie 32 von 169 Mitgliedern der Internationalen Meeresbehörde (ISA) einen Stopp der Tiefseebergbauvorhaben. Die Internationale Meeresbehörde verhandelt seit einigen Jahren mit Hochdruck über die Zukunft des Tiefseebergbaus – bisher ohne Ergebnis.

Hinter den Experten und Ländern stehen einige der weltweit größten zivilen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie Greenpeace, ClientEarth, WWF sowie PowerShift und die Environmental Justice Foundation. Eine Reihe einflussreicher Unternehmen haben sich NGOs und Länderstimmen angeschlossen und fordern den Stopp der Tiefseebergbaupläne. BMW, Volvo, Samsung und Google verkündeten bereits 2021, selbst keine Rohstoffe aus Tiefseebergbau abnehmen zu wollen. jb

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