TiefseebergbauIn der Schwebe

Manganknollen
Sauerstoff aus der Tiefsee? Eine spannende Entdeckung stellt den Tiefseebergbau weiter in Frage. (Bild: ROV-Team/GEOMAR / CC BY 4.0 / via Wikimedia Commons)

Staaten sind sich weiterhin uneinig, ob in der Tiefsee in Zukunft Bergbau betrieben werden darf. Die Entdeckung von dunklem Sauerstoff, den Manganknollen mitproduzieren, unterstützt Stimmen, die ein Moratorium fordern. Erforschen, nicht ausbeuten.

31.07.2024 – Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) diskutiert bei ihrem Zusammentreffen in Jamaika in dieser Woche erneut den Tiefseebergbau. Tiefseebergbau ist höchst umstritten, da unklar ist, wie groß die Zerstörung für die Ökosysteme der Meere ausfallen. Forscher gehen davon aus, dass die Schäden gewaltig und langfristig wären.

Im Fokus stehen sogenannte Manganknollen, polymetallische Klumpen, die in Massen in bestimmten Regionen der Tiefsee zu finden sind. Die Knollen selbst sind Lebensraum zahlreicher Arten, die bei langfristiger Förderung aussterben würden. Bei Explorationen für eine mögliche Förderung von Manganknollen im Pazifischen Ozean waren zudem mehrere bis dahin unbekannte Lebensformen entdeckt worden.

Dunkler Sauerstoff

Die Erforschung der Manganknollen hat zuletzt eine erstaunliche Erkenntnis hervorgebracht. Eine Studie verschiedener Institute, unter anderem des Geomar, der Universität Bremen und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zeigt, dass die Manganknollen in der Clarion–Clipperton Zone an der Sauerstoffproduktion für das Ökosystem der Tiefsee beteiligt sind. Die Entdeckung stellt den Konsens über Sauerstoffproduktion und möglicherweise die Frage, wie Leben auf der Erde begonnen hat, auf den Kopf.

„Damit aerobes Leben auf der Erde entstehen konnte, musste es Sauerstoff geben, und nach unserem Verständnis begann die Sauerstoffversorgung der Erde mit Photosynthese treibenden Organismen“, sagt Leiter des Forschungsteams Andrew Sweetman von der Scottish Association for Marine Science in Großbritannien. „Aber wir wissen jetzt, dass Sauerstoff in der Tiefsee produziert wird, wo es kein Licht gibt. Ich denke daher, dass wir Fragen wie die nach den Anfängen des aeroben Lebens neu betrachten müssen.“

Die Entdeckung zeigt, wie viele Erkenntnisse in der Tiefsee schlummern. “Diese Studie liefert einen neuen Beweis dafür, dass Tiefseebergbau ein Blindflug ist“, warnt Greenpeace-Meeresexpertin Daniela Herrmann. „Wenn die Industrie mit dem Plündern der Manganknollen in der Tiefsee beginnt, wird dieser die Luft zum Atmen genommen. Wir wissen mehr über den Weltraum als über unsere Tiefsee und trotzdem verhandeln die ISA-Staaten in dieser Woche erneut darüber, in welcher Form die Tiefsee ausgebeutet werden soll. Dabei häufen sich die Belege dafür, wie schädlich der Tiefseebergbau für die Meeresumwelt wirklich wäre. Das ist totaler Irrsinn.“

Regulieren oder Pausieren

Derzeit tagt die Generalversammlung der ISA erneut in Jamaika. Neben dem Mining Code, einem Regelwerk für den Tiefseebergbau, wird erstmals auch der von Deutschland eingebrachte Vorschlag einer allgemeinen Grundsatzregelung (General Policy for the protection and preservation of the marine environment) diskutiert. Letztere könnte im Gegensatz zum Mining Code den Weg zu einem Moratorium weisen, berichtet Greenpeace. Die Umweltorganisation fordert wie viele weitere NGOs und auch Staaten ein Moratorium für den Tiefseebergbau. Zu ihnen gehören unter anderen Deutschland, Kanada und seit kurzem Malta sowie der United Nations High Commissioner for Human Rights Volker Türk.

Bisher hat sich die ISA dem Tiefseebergbau zugeneigt gezeigt. Der amtierende Generalsekretär Michael Lodge steht in der Kritik, sich zu stark für die Interessen der Bergbau-Industrie einzusetzen. Greenpeace berichtet, ISA-Mitgliedstaaten kritisierten lückenhafte Finanzberichte und mangelnde Transparenz. Die Neuwahl des Vorsitzenden der Organisation, die Ende der Woche ansteht, könnte eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Tiefsee spielen. Die Environmental Justice Foundation gibt allerdings grundsätzlich zu bedenken, dass die ISA selbst keine unparteiische Organisation und daran interessiert sei, Tiefseebergbau möglich zu machen. Langfristig soll die ISA über Einnahmen aus dem Tiefseebergbau finanziert werden.

Die Tiefsee: Erbe der Menschheit

Die Tiefsee gehört zum internationalen Erbe der Menschheit. Tiefseebergbau ist auch deshalb in internationalen Gewässern noch nirgendwo erlaubt. Die ISA verhandelt aber bereits seit über zehn Jahren über den Ressourcenabbau in mehr als 200 Metern Tiefe. Dabei bewegt sich die Debatte zwischen einem Moratorium für Tiefseebergbau und einem Regelwerk, dem Mining Code.

Auf dem Meeresgrund finden sich verschiedene Ressourcen wie Cobalt, Mangan und Eisen, die für den Ausbau der Digitalisierung und die grüne Wende genutzt werden könnten. In den vergangenen Jahren zeigten Unternehmen deshalb zunehmend Interesse am Bergbau unter dem Meer.  

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Martin Webeler, Ocean Campaigner & Researcher, Environmental Justice Foundation

Martin Webeler, EJF

Mit einem offiziellen Antrag löste der Inselstaat Nauru 2021 für das Bergbauunternehmen The Metals Company eine Klausel im Internationalen Seerecht aus. Dieses besagt, dass bei einem Antrag innerhalb von zwei Jahren Regeln für den Tiefseebergbau ausgearbeitet werden müssen, auf deren Basis über eine Genehmigung entschieden werden kann. Anfang Juli 2023 ließ die ISA diese Frist verstreichen. Seither ist unklar, wie mit dem Antrag und mit künftigen Anträgen umgegangen werden soll. Bei den Verhandlungen im vergangenen Sommer gelang es jedoch Tiefseebergbau-kritischen Staaten, mehr Zeit für die Ausarbeitung des Mining Codes auszuhandeln. Wann die Vorschriften konkret finalisiert werden, sei aktuell nicht absehbar, berichtet Martin Webeler, Ocean Campaigner & Researcher, Environmental Justice Foundation, der die Verhandlungen im aktuellen wie im vergangenen Sommer vor Ort begleitet hat.

Norwegen öffnet Hoheitsgewässer für Tiefseebergbau

Anders sieht es auf nationaler Ebene aus: Anfang dieses Jahres stimmte das norwegische Parlament für Tiefseebergbau in seinen Hoheitsgewässern. In einem rund 281.200 Quadratkilometer großen Gebiet um die arktische Inselgruppe Svalbard sollen Möglichkeiten eines kommerziellen Abbaus von Mangan- und Kobaltkrusten erkundet werden. NGOs sowie Politiker kritisierten die Entscheidung Norwegens, das den Tiefseebergbau bereits ab dem kommenden Jahr genehmigen und kaum regulieren will. Eine von Greenpeace gestartete Arktisexpedition soll Daten sammeln, um die Ökosysteme der Region besser zu verstehen und schützen zu können.

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„Die Tiefsee hat eine enorme Bedeutung für die vernetzten Nahrungsketten und unser weltweites Klima. Wale und Delfine leben und ernähren sich in demselben Tiefseegebiet, das die norwegische Regierung für den Bergbau öffnen will. Gleichzeitig reagieren sie sehr empfindlich auf industrielle Aktivitäten und Lärmbelästigung”, erklärt Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann.

Erforschen, nicht ausbeuten

Zwar werden mehrere Metalle, die auf dem Tiefseeboden zu finden sind, in Zukunft stärker nachgefragt werden. Doch ob Tiefseebergbau notwendig ist, damit in Zukunft ausreichend Rohstoffe verfügbar sind, ist stark umstritten. Die begehrten Manganknollen würden überbewertet, heißt es in einer Studie. Andere Metalle, die für die wirtschaftliche Verwertung interessanter wären, seien hingegen in den Knollen nur in kleinen Mengen vorhanden. Der Aufwand, sie zu extrahieren, rechne sich möglicherweise nicht. Die Manganknollen geben zudem radioaktive Strahlung ab, was den Abbau nicht nur schwieriger macht, sondern auch die Sicherheit der Arbeitskräfte an den gesamten Lieferketten gefährden könnte. Prognosen rechneten zudem oft mit nur geringen Recyclingquoten und wenig Zweitverwendung von Rohstoffen.

NGOs befürchten, dass beim Tiefseebergbau die gleichen Fehler begangen werden, die auch die Geschichte des Bergbaus an Land geprägt haben: rücksichtslose Zerstörung von Umwelt und Biodiversität, kaum Rücksicht auf austretende Giftstoffe und die Folgen für Mensch, Klima und die Erde.

„Wir kennen nur einen Bruchteil der Wunder, die sich in den Tiefen des Meeres verbergen”, sagtSaalmann. Fast 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hält einer aktuellen von Greenpeace beauftragten Umfrage nach Meeresschutz für wichtig, fast 80 Prozent betonen dabei die Tiefsee (und die Arktis). Tiefseebergbau kennen jedoch nur 14 Prozent. „Während sich der Großteil der Menschen eine geschützte Meeresumwelt wünscht, planen wenige Unternehmen die Plünderung des letzten unberührten Lebensraumes der Erde.“ Dabei zeigen besonders die neuen Erkenntnisse über das Ökosystem um die Manganknollen deutlich, wie wenig über die Tiefsee bekannt und wie viel noch zu erforschen ist. jb

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