Schutz der MeereUmweltbündnis will Gasbohrungen vor Borkum noch verhindern

Blick auf das Wattenmeer der Nordsee mit Windenergie-Anlagen im Hintergrund
Idealer Standort für Windenergie und Wanderungen im Wattenmeer. Geplante Gasbohrungen könnten das intakte Ökosystem bald empfindlich stören. (Foto. Tommy Kwak on Unsplash)

Der Kampf gegen Gasbohrungen geht in die nächste Runde. Niedersachsen hat nun Richtbohrungen unter der deutschen Nordsee genehmigt. Das Wattenmeer ist wieder in Gefahr. Ein Umweltbündnis kündigt neue rechtliche Schritte an.

16.08.2024 – Das Landesamt für Bergbau Energie und Geologie (LBEG) hat heute die fehlende bergrechtliche Genehmigung für die vom niederländischen Konzern One-Dyas geplanten Gasbohrungen vor Borkum erteilt. Damit erlaubt die Behörde, die dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies unterstellt ist, Richtbohrungen in den deutschen Teil des Gasfelds – trotz massiven Protesten, die am Wochenende auf Borkum stattgefunden haben, berichtet die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Die Genehmigung erscheine vor allem auch deshalb besonders widersinnig, weil wenige Tage zuvor das Verwaltungsgericht Lüneburg den Bau eines Seekabels zur Energieversorgung der Bohrinsel gestoppt hatte. Geklagt hatte auch hier schon die DUH, unterstützt vom BUND Niedersachsen und der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland. Das Bündnis kündigt nun rechtliche Schritte auch gegen die Genehmigung des LBEG an und fordert Wirtschaftsminister Lies auf, diese zurückzunehmen.

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Der Gaskonzern ONE-Dyas darf vorerst nicht vor Borkum bohren, entschied das Gericht in Den Haag und gab der Stadt Borkum und Umweltverbänden recht. Nun geht es darum, die Gasbohrung auch in Zukunft zu verhindern, zum Schutz von Wattenmeer und Klima.

„Härter kann man den Menschen auf den ostfriesischen Inseln nicht vor den Kopf stoßen“, kritisierte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. Indem Wirtschaftsminister Lies nur wenige Tage nach den großen Protesten auf Borkum die Gasbohrungen unter der deutschen Nordsee erlaube, stelle er die Geschäftsinteressen eines fossilen Gaskonzerns über Natur und Menschen vor Ort. „Wir werden dagegen alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, kündigt die DUH an. „Bei diesem für die Energieversorgung unnötigen Projekt geht es jedoch um mehr“, betont Müller-Kranner, „wenn eine neue fossile Förderung in Deutschland erlaubt wird, stellt dies auch die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands in Frage.“ Deshalb müsse sich nun die Bundesregierung einschalten um zu verhindern, dass One-Dyas in Niedersachsen weiter der rote Teppich ausgerollt werde.

Wenig Nutzen für die Energieversorgung, großer Schaden für die Natur

Der Konzern One-Dyas verfolgt laut dpa den Plan, bereits ab Dezember dieses Jahres vor den Inseln Borkum und Schiermonnikoog Erdgas zu fördern. Eine Förderplattform auf niederländischem Gebiet soll dafür rund 20 Kilometer nordwestlich von Borkum errichtet werden. Die Bohrungen würden laut Plänen des Konzerns in einer Tiefe von 1,5 bis 3,5 Kilometern schräg ins deutsche Gebiet abgelenkt werden. Die erwartete förderbare Menge Erdgas für das gesamte Vorhaben würde sich nach Schätzung des Konzerns zwischen 4,5 bis 13 Milliarden Kubikmeter bewegen. Die geringen jährlichen Fördermengen tragen selbst bei besten Förderbedingungen nicht mehr als 0,7 Prozent zum deutschen Gasverbrauch bei, berichteten Umweltverbände, die bereits 2023 das Vorhaben verhindern wollten. Dieser vernachlässigbare Betrag stehe im Gegensatz zu den drohenden CO2-Emissionen von bis zu 65 Millionen Tonnen, wenn der Konzern all seine neuen Förderpläne in der Region umsetzen würde sowie der Zerstörung des wertvollen Ökosystems.

Gasbedarf in Deutschland

Im Jahr 2023 hat Deutschland laut Bundesnetzagentur (BNetzA ) insgesamt 810.412 Gigawattstunden (GWh) Gas verbraucht, was etwa 81 Milliarden Kubikmetern entspricht. Auf den Verbrauch der Haushalts- und Gewerbekunden entfielen demnach rund 41 Prozent und auf den Verbrauch der Industrie rund 59 Prozent. Nur rund 31.800 Gigawattstunden Strom wurden dabei in Biogasanlagen in Deutschland erzeugt.Insgesamt wurden im Jahr 2023 rund 69.656 GWh Erdgas über deutsche LNG-Terminals nach Deutschland importiert. Dies entspricht laut Zahlen der Bundesnetzagentur einem Anteil von 7 Prozent an den gesamten deutschen Gasimporten. Demnach hat Deutschland im Jahr 2023 nach vorläufigen Zahlen insgesamt 968 TWh Erdgas importiert. Die größten Mengen kamen laut BNetzA dabei mit 43 Prozent Anteil aus Norwegen, gefolgt von den Niederlanden mit 26 Prozent und Belgien mit 22 Prozent.

Für die geplanten Gas-Bohrungen, die unter dem Meeresboden der Nordsee nun in deutsches Gebiet hineinreichen sollen, müssen Deutschland und die Niederlande noch ein Abkommen schließen. Für die Niederlande scheint der Weg dafür nun frei zu sein. Für Niedersachsens Ministerpräsident liegt die letzte Entscheidung beim Bund, kommentierte er in den deutschen Medien.

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Widerspruch zu den Klimazielen

Auch die Vorstandsvorsitzende BUND Niedersachsen Susanne Gerstner zeigte sich empört. Für die Nordsee und das Wattenmeer sei diese Genehmigung eine Katastrophe, die man nicht einfach so hinnehmen könne. „Sie steht im krassen Widerspruch zu den Klimazielen der rot-grünen Landesregierung und setzt den Status des Wattenmeers als Weltnaturerbe aufs Spiel“, so Gerstner. Das UNESCO-Komitee hatte Ende Juli klar formuliert, dass der Abbau von Öl und Gas ist mit dem Welterbe-Status des Wattenmeers unvereinbar wäre.

Vor allem aber werde das Vorhaben gravierende Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben. Die Risiken durch ein mögliches Austreten von Kohlenwasserstoffen, Bohrschlämmen und Lagerstättenwasser sowie Erdbeben und erhebliche Landabsenkungen seien unkalkulierbar, so die Umweltexpertin. „Die Landesregierung hat 2021 selbst festgestellt, dass der Schutz der betroffenen einzigartigen Naturlandschaft ein überwiegend öffentliches Interesse ist – und dass das Vorhaben von One-Dyas dem entgegensteht. Wie das zuständige Landesamt trotz dieser Erkenntnisse die Gasbohrungen genehmigen konnte, ist uns schleierhaft“, sagt Gerstner.

 

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Der Sprecher der Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland Bernd Meyerer erläuterte die Situation vor Ort. Die Ostfriesischen Inseln wären „buchstäblich auf Sand gebaut“. Auch die Trinkwasserversorgung hänge unmittelbar von den Dynamiken von Sand und Wasser ab, warnt der Umweltschützer. Nun aber sollen Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Untergrund vor Borkum entnommen werden. Die Insel- und Häuserfundamente sowie die Trinkwasserlinse seien damit durch Erdbeben und Bodenabsenkungen stark gefährdet. „Da die möglichen Folgen so existenziell sind, gebietet das Vorsorgeprinzip, jedwedes Risiko auszuschließen“, sagt Meyerer. „Stattdessen verlässt sich das LBEG auf die Beteuerungen aus den Niederlanden, dass alles sicher sei.“ Dort wäre aber erst kürzlich die jahrzehntelange Erdgasförderung in Groningen wegen der Erdbeben eingestellt worden. „Eine Untersuchungskommission hatte festgestellt: Geld war wichtiger als Sicherheit und Gesundheit.“ Deshalb wolle der Konzern nun vor Borkum fördern. „Das dürfen wir nicht zulassen“, warnt der Umweltschützer. Der Kampf ums Wattenmeer geht also in die nächste Runde. na

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