Europäische UnionFür die Energiewende sind jährlich 450 Milliarden Euro nötig

Ein Mann in Anzug mit blauer Krawatte an einem blauen Pult
Mario Draghi 2022 im Europaparlament (Bild: © European Union 2022 – Source: European Parliament, flickr, CC BY 2.0)

Der Bericht von Mario Draghi gilt als wegweisend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der EU. Darin fordert er jährlich hunderte Milliarden an Investitionen, insbesondere für den Klimaschutz. Im globalen Wettstreit sei dies überlebenswichtig.

10.09.2024 – Die Rede ist von insgesamt mindestens 800 Milliarden Euro jährlich – von Anfang nächsten Jahres an, bis mindestens 2030 – die nötig seien, um die Wirtschaft in der Europäischen Union wieder auf Kurs zu bringen und im globalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank und frühere italienische Ministerpräsident Mario Draghi hatte von der EU-Kommission den Auftrag erhalten, einen Strategiebericht zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu verfassen. Am gestrigen Montag wurde der lang erwartete Bericht veröffentlicht.

Darin spricht Draghi von einer „existenziellen Herausforderung“ für die Europäische Union. Die Aufgabe sei es, die EU aus dem Zustand geringer Produktivität und schwachen Wachstum wieder herauszuführen. Dafür brauche es massive Investitionen. Und zwar 150 Milliarden Euro jährlich für die digitale Transformation, 50 Milliarden für die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit der EU und bis zu 150 Milliarden für die Entwicklung neuer Innovationen, um die Produktivität hochzuschrauben.

Der weitaus größte Anteil an Investitionen müsse derweil in die Energiewende fließen. Rund 150 Milliarden Euro jährliche Investitionen müsse es für den Transportsektor geben und hier vor allem für eine lückenlose europäische Ladeinfrastruktur. 300 Milliarden jährlich bräuchte die Transformation des Energiesystems, inklusive der Entwicklung neuer grüner Technologien.

Mehr Investitionen als nach dem zweiten Weltkrieg nötig

Die 800 Milliarden Euro entsprechen rund 4,4 bis 4,7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Laut Draghi sind die nötigen Zusatzinvestitionen mehr als das doppelte an Hilfen, wie Europa nach dem zweiten Weltkrieg aus dem sogenannten Marshall Plan erhielt. Dafür sei nun die neue gemeinsame Aufnahme von Schulden nötig, mahnte Draghi. Sonst drohe Europa der wirtschaftliche Absturz. „Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir ohne Maßnahmen unser Wohlfahrtssystem, unsere Umwelt und unsere Freiheit in Frage stellen müssen“, so Draghi.

Zuletzt hatte die Europäische Union in der Corona-Krise gemeinsame Schulden von rund 750 Milliarden Euro aufgenommen. Nun wären nach Draghis Rechnung bis 2030 gemeinsame Schulden von 4 Billionen Euro nötig. Länder wie Italien und Frankreich zeigen sich offen für neue Schulden. Deutschland dagegen führt eine Gruppe von Staaten an, die sich gegen neue Schulden aussprechen. Schon auf Bundesebene hält die FDP eisern an der gesetzlich verankerten Schuldenbremse fest. Von den Grünen, der SPD und auch Teilen der CDU dagegen gibt es Forderungen nach einem Aufbrechen der Schuldenbremse für Zukunftsinvestitionen.

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„Wer Investitionen blockiert trägt Verantwortung für den wirtschaftlichen Abstieg“, sagte der Grünen Europaabgeordnete Michael Bloss via X. Und seine Parteikollegin, die Vorsitzende des europäischen Binnenmarkt-Ausschusses, Anna Cavazzini, sagte: „Um den Umbau der europäischen Wirtschaft zum Erfolg zu machen, braucht Europa massive Investitionen und eine Industriepolitik, die die hiesige Wirtschaft vor geopolitischen Turbulenzen schützt. Dafür braucht es mehr Finanzkraft auf europäischer Ebene. Leider scheinen sich viele Mitgliedstaaten in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.“

Zustimmung gab es auch von dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, dem CDU-Politiker Manfred Weber: „Die großartige Botschaft, dass die Wettbewerbsfähigkeit das wichtigste Thema ist, begrüßen wir als europäische Wirtschaftspartei sehr.“ Doch bislang sind im mehrjährigen Haushalt zwischen 2021 und 2027 nur 580 Milliarden Euro für die Finanzierung des Klimaschutzes vorgesehen. Dazu kommen noch Einnahmen aus dem Europäischen Emissionshandel. Nach Draghis Rechnung ist das zu  wenig.

Im Mai erklärten Bloss und weitere Grüne Abgeordnete zudem, dass es den Konservativen (wie Weber) an strategischer Wettbewerbsfähigkeit mangele. Für den sogenannten Net-Zero-Industry-Act – einem Gesetz um die Industrie zu dekarbonisieren – stehe nach intensiven Verhandlungen zu wenig Geld zur Verfügung und es würden weiter fossile Brennstoffe unterstützt.

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Der Blick Draghis sowie der Befürworter:innen stärkerer Investitionen in die Energiewende richtet sich in die USA und China, die milliardenschwere Subventionsprogramme für Zukunftstechnologien aufgelegt haben. Mit dem Inflation Reduction Act unterstützt die USA in den nächsten zehn Jahren entsprechende Branchen mit über 800 Milliarden US-Dollar an Investitionen und Steuererleichterungen. China hat 890 Milliarden Dollar alleine im Jahr 2023 in Zukunftstechnologien wie Solar und Batterien investiert. China ist unangefochtener Weltmarktführer bei Erneuerbaren Technologien. mg

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