Dezentrale EnergiewendeBundesregierung muss Energy Sharing voranbringen

Frau auf einer Dachterrasse mit Photovoltaik-Anlage blickt in die Ferne
Ausblick in die Zukunft der gemeinschaftlichen Energieversorgung: Solarstrom vom eigenen Dach mit den Nachbarn teilen – das ist in Deutschland allerdings noch mit rechtlichen Hürden verbunden. (Foto:© naturstrom AG/Andre Forner)

Bereits seit 2021 fordert die EU die Umsetzung von Möglichkeiten zum Energy Sharing. Die Bundesregierung hat hierzu einen Gesetzentwurf angekündigt, bleibt diesen jedoch bislang schuldig. Dabei liegen konkrete Modellvorschläge längst auf dem Tisch.

12.08.2024 – „Trotz des langen zeitlichen Vorlaufs und der ursprünglich von der EU gesetzten Umsetzungsfrist bis Mitte 2021 haben es die Bundesregierungen bislang versäumt, einen belastbaren Rechtsrahmen für das Energy Sharing vorzulegen“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Zwar sei mit dem PV-Paket nun die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung möglich und der neue Gesetzesentwurf zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform erleichtert nun die Gründung von Bürgerenergiegenossenschaften, die bereits ein wichtiges Standbein bürgernaher Energieversorgung sind – doch ein umfassendes Energy Sharing lasse weiter auf sich warten.

Demokratische Teilhabe an der Energiewende ermöglichen

„Diese Verzögerung ist für uns unverständlich“, kommentiert Peter den Stillstand. Der BEE hatte gemeinsam mit dem Bündnis Bürgerenergie, der DGRV und anderen Partnern bereits ein konkretes Modell zur Umsetzung des Energy Sharings vorgelegt. „Wir erwarten“, so Peter weiter, dass die Bundesregierung den schon seit längerem angekündigten Entwurf nun endlich für die Verbändebeteiligung freigibt und dabei unsere sehr konkreten Vorschläge aufgreift. Damit würde die demokratische Teilhabe an der Energiewende gestärkt und gleichzeitig die Akzeptanz für den notwendigen Ausbau erhöht.“

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Strom vom Nachbarn

Energy Sharing erlaubt es regionalen Stromverbrauchern – darunter Privathaushalte, Kommunen sowie kleine und mittlere Unternehmen –, sich zu Bürgerenergiegesellschaften zu formieren und gemeinsam Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien zu betreiben. Die Gesellschaften können sich dabei aus ihrem erzeugten Strom selbst versorgen. Um dies betriebswirtschaftlich zu gestalten, sei es nötig, die Fortzahlung der Marktprämie für die beteiligten Erneuerbare-Energieanlagen zu sichern.

Andere EU-Mitgliedstaaten machen es vor

Zudem sollten die zunächst für die beteiligten Gesellschaften entstehenden Mehrkosten mittels einer Energy Sharing-Prämie gedeckt werden, fordern die Bürgerenergie-Akteure. Diese Prämie sollte an die Bürgerenergiegesellschaften je direkt verbrauchter Kilowattstunde gezahlt werden. Entsprechende Modelle gibt es bereits in anderen EU-Mitgliedstaaten, wie z.B. in Österreich mit seinen Energiegemeinschaften, diese sind auch bereits durch die EU-Kommission beihilferechtlich genehmigt.

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Auf europäischer Ebene hat die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie mit Einführung der sogenannten Active Customer die Lieferantenpflichten vereinfacht. Welche Erleichterungen es in Deutschland geben sollte, zeigt auch der Bericht Energy Sharing: Vom Konzept zur energiewirtschaftlichen Umsetzung, den die Deutsche Energieagentur (dena) mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung und B.A.U.M. Consult verfasst hat. Anhand verschiedener Modelle wird skizziert, wie die energiewirtschaftliche Rollenverteilung und der Datenaustausch aufgebaut sein können.

„Auch in Deutschland braucht das europäische Right to Energy Sharing nun einen praktikablen Rechtsrahmen“, sagt auch Corinna Enders, Vorsitzende der Geschäftsführung der dena. „Der sollte nicht nur gewährte Privilegien und Kriterien klarstellen, sondern auch die bestehenden Rollen im Energiesystem und die Verteilung der Verantwortlichkeiten bei verschiedenen Akteurskonstellationen vor Ort berücksichtigen.“

Denkbare Modelle für Energy Sharing

Im ersten Modell des dena-Berichts bieten die ESC-Mitglieder ihren nicht genutzten Strom einem zentralen Lieferanten an, der alle Verbraucher versorgt. Zukünftig wären in Deutschland angesichts der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens auch andere Modelle denkbar, die sich insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung energiewirtschaftlicher Aufgaben durch die ESC als Ganzes, ihrer Mitglieder oder ihrer Dienstleister unterscheiden, schreiben die Studienautoren.

Das zweite Modell orientiert sich an den europäischen Vorbildern: Die ESC selbst oder Intermediäre werden zum Lieferanten. Das dritte Modell blickt in die weiter entfernte Zukunft: Hier bestehen innerhalb der ESC energie- und handelsrechtliche Lieferbeziehungen zwischen dezentralen Erzeugern, Prosumern und Verbrauchern ohne die Zwischenschaltung von Energieversorgern.

Sichere digitale Infrastruktur aufbauen

Um viele dezentrale Erzeuger und Verbraucher innerhalb der ESC und im Zusammenwirken mit externen Akteuren im Energiesystem effizient zu verbinden, brauche es nicht nur einen klaren Rechtsrahmen, sondern auch einen geregelten Umgang mit den Daten und eine sichere digitale Infrastruktur, heißt es im dena-Bericht. Der granulare Abgleich von Erzeugung und Verbrauch sei für jedes denkbare Modell zentral und werde so effizient und schnell möglich.

Mit intelligenten Messsystemen würde in Deutschland derzeit eine gute und sichere Basis geschaffen, nicht nur für die Datenerfassung, sondern auch für die Steuerung von Anlagen, befindet die dena. Darauf aufbauend könne die Abrechnung nach variablem Tarif erfolgen und der Einsatz der Energieanlagen digital gestützt optimiert, geplant bis hin zu automatisiert gesteuert werden. Die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens biete zukünftig Chancen für neue Akteure am Energiemarkt, aber auch etablierte und innovationsbereite Energieversorgungsunternehmen könnten von neuen Geschäftsmodellen profitieren.

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Energy Sharing stärkt die Gesellschaft

Energy Sharing führt zu einer finanziellen Entlastung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, während sie gleichzeitig aktiv an der Energiewende teilnehmen“, nennt Simone Peter weitere Vorteile. „Sie werden damit also von bloßen Anwohner:innen von Erneuerbare-Energieanlagen zu aktiven Teilhaber:innen.“ Zudem schaffe Energy Sharing Anreize für einen dezentralen Verbrauch von Erneuerbaren Energien und steigere die Akzeptanz für die Energiewende. „Unsere Vorschläge zur Umsetzung liegen auf dem Tisch“, erinnert Peter. „Es wird Zeit, dass sich die Bundesregierung dieses wichtigen Themas annimmt, damit Energy Sharing zu einer guten Grundlage für die breite Beteiligung der Menschen im Land werden kann”, fordert die BEE-Präsidentin. na

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