Photovoltaik und NaturschutzAnders als geplant – Solaranlage auf Niedermoor

Solarmodulreihen, im Vordergrund nasse Fläche, im Hintergrund Bahntrasse
Im Solarpark Lottorf stehen die Modulreihen auf nassem Boden. Auf der vorher als Grünland genutzten Fläche steht nun wieder Wasser. (Foto: Wattmanufactur)

Alles sollte wie immer sein, als die Planungen für den Solarpark Lottorf begannen. Doch das bewirtschaftete Grünland entpuppte sich als Moorfläche. Entstanden ist ein lehrreiches Projekt für Naturschutz und Energiewende.

28.08.2024 – Der Solarpark Lottorf hat eine ganz besondere Geschichte, eine Geschichte, die dank der Beteiligten als Leuchtturmprojekt für die Energiewende endet, aber genauso gut die Geschichte eines Scheiterns hätte werden können. Für die lange Jahre als Grünland bewirtschaftete Fläche an der Bahnstrecke zwischen Flensburg und Neumünster wollte die Wattmanufactur in einer EEG-Ausschreibung einen Zuschlag erhalten. Als die Planungen liefen, war noch gar nicht bekannt, dass hier ein Flächenkonflikt zu Tage treten würde. Errichtet werden sollte ein Solarpark westlich und östlich entlang der Bahnstrecke auf einem Gebiet von etwa 30 Hektar.

Bebauung nicht möglich, es sei denn…

Ein Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde brachte den Stein ins Rollen. Bei der Fläche handele es sich um ein Moor, eine Bebauung sei nicht möglich, es sei denn, die Fläche würde wiedervernässt und der dauerhafte Lichteinfall bliebe erhalten. Diesen Kompromiss wollte der engagierte Behördenmitarbeiter eingehen. Als Lösung wurde ein Tracking-System auserkoren. Die Modulreihen drehen sich im Verlauf des Tages mit dem Lauf der Sonne, so dass auch der Schatten unter den Modulen wandert. Mit anderen Maßnahmen sollte der Wasserstand der Fläche wieder angehoben werden.

Als sich die Wattmanufactur auf diese Bedingungen einließ, ahnten die Projektierer noch nicht, welche Herausforderungen sie erwarteten. Heute, drei Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Anlagenteils ziehen sie dennoch ein positives Fazit. Die Anlage läuft, der Wissenszuwachs und das gesellschaftliche Interesse sind enorm. Der innovative Solarpark ist Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte.

Forschungsinteresse am Solarpark auf Moorfläche

So untersucht das Moorcentrum Greifwald in Lottorf den ökologischen Einfluss von PV-Anlagen auf wiedervernässten Moorflächen. Dafür werden Boden- und Luft-Sensoren installiert und mögliche Auswirkungen auf das Mikroklima analysiert. Für die Universität Hamburg ist der Solarpark einer von mehreren, in denen die Forschenden die Boden- und Vegetationseigenschaften unter verschiedenen Solarmodul-Konfigurationen untersuchen. Die Uni Göttingen beobachtet und untersucht das Verhalten von Schafen, die für die Beweidung eingesetzt werden, beispielsweise ob sie die beschatteten Modulflächen oder doch lieber freie Weideflächen bevorzugen.

„Wir wollten ursprünglich eigentlich einen Standard-Solarpark mit Südausrichtung bauen. Dann kamen die Besonderheiten hinzu – die wir mit Elan angingen. Doch etwas unterschätzt haben wir das Ganze schon – aber man wächst ja mit den Herausforderungen“, sagt Thies Jensen von Wattmanufactur. Inzwischen sind zwei Teile des Solarparks realisiert, jeweils knapp 10 Megawatt Leistung umfassen sie. Eine Erweiterung soll folgen.

Wie hält man Wasser in der Fläche?

In der Fläche befanden sich Drainage-Rohre, die durch den Wegebau komplett durchtrennt werden sollten. Auch die Rammung der Gestelle würde die Rohre an der einen oder anderen Stelle beschädigen. Diese Rohre sollten nicht wieder instandgesetzt werden, um das Wasser in der Fläche zu halten. Außerdem sollte bei hohem Wasserstand auch die Entwässerung der Fläche sichergestellt sein, damit kein See entsteht.

Für den Wegebau wurde anders als sonst sehr tief in den Grund eingegriffen – bis zu zwei Metern – je nach Dicke der Torfschicht. Die ausgehobene Wegbreite wurde mit Kies und Schotter aufgefüllt. Mit dem abgetragenen Torf füllten die Wegebauer die Ausgleichsfläche auf. Jensen erklärt: „Das würde man jetzt – mit dem fachlich viel tieferen Wissen, wohl nicht mehr so machen. Denn diese Arbeiten haben ganz sicher einige Emissionen verursacht. Für die Anlage hat diese Art des Wegebaus aber auch einen Nutzen – der  Weg wirkt als Damm. Das heißt, das Wasser wird gut in der Fläche gehalten. Dennoch würde der Wegebau bei weiteren Projekten anders aussehen.“ Die PV-Fläche in Lottorf entspreche zwar nicht den aktuell geltenden Anforderungen als Moor-PV-Anlage, aber die Wissenschaftler äußerten sich doch sehr zufrieden, denn der Wasserstand wurde merklich gehoben.

Vom Moorboden aus denken

Überhaupt sagt Jensen, dass man heute wohl so ziemlich viel anders angehen würde. „Vom Moor her denken“, nennt er das. Der Boden muss der Ausgangspunkt für alle Planungen sein. Wo legt man die Wege an, wo die Trafostationen, wo die Wechselrichter. Das alles hat später Auswirkungen auf die Betriebsführung und Wartung. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, mit Zentralwechselrichtern zu arbeiten, um nicht mit schwerem Gerät an die über die Anlage verteilten Stringwechselrichter fahren zu müssen.

Obwohl einige der Ausgaben nicht oder nicht in der angefallenen Höhe kalkuliert waren, ist der Solarpark aktuell kein Verlustgeschäft. „Durch einen recht guten EEG-Zuschlag und den höheren Stromerträgen aufgrund der Tracker konnten die Mehrkosten glücklicherweise kompensiert werden.“  Doch Photovoltaik auf wiedervernässten Mooren wird nach Meinung von Jensen dennoch eine Nische bleiben – zu individuell und voller Überraschungen seien die Projekte.  Die Individualität finde sich auch bei den Unteren Naturschutzbehörden. Gerade befindet sich in der Gemeinde Elsfleth ein Flächennutzungsplan in der Änderungsphase, bei dem eine Freiflächensolaranlage ebenfalls auf Moorboden genehmigt werden soll, ohne geforderte Wiedervernässung.

In Lottorf werden die feuchten Wiesen weiter extensiv bewirtschaftet. Eine Mähmaschine mit geringem Eigengewicht und einer Stachelwalze kann den wassergesättigten Boden des Niedermoores schonend befahren. Zudem werden die Mähzeitpunkte so gewählt, dass die Wiesenvögel während der Brut- und Setzzeit nicht gestört werden. pf

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