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LuftfahrtAnwohner von Flughäfen gefährlicher Luftverschmutzung ausgesetzt

Schwarz-weiß Bild des Münchener Flughafengeländes mit Flugzeugen und Tower
Der Münchener Flughafen – einer von fünf untersuchten Großflughäfen in Deutschland (Bild: Ashwin Chandrasekaran, flickr, CC BY 2.0)

Ultrafeine Partikel schadstoffbelasteten Kerosins setzen sich in den Lungen der Menschen ab. In ganz Europa sind Millionen von Anwohnern an Flughäfen schwerwiegenden Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

01.07.2024 – Vor allem beim Rollen sowie Starts und Landungen stoßen Flugzeuge große Mengen an Ultrafeinpartikeln aus. Auch Ultrafeinstaub genannt, handelt es sich um Partikel, die zwischen 1 und 100 Nanometer groß sind und in die Atemwege gelangen können. Das kann unter anderem zu Atemwegsproblemen, aber auch Bluthochdruck, Diabetes, Schwangerschaftskomplikationen und Demenz führen. Denn die Kleinen Partikel können tief in die unteren Atemwege eindringen und damit die Blut-Luft-Schranke überwinden. Trotzdem gibt es, im Gegensatz zu größeren Feinstaubpartikeln, keine von der Europäischen Union definierte Grenzwerte für Ultrafeinstaub.

Im Uftrag der Umweltorganisation Transport & Environment untersuchte das wissenschaftliche Beratungsinstitut CE Delft in den letzten Monaten auf und im Umkreis von 32 Großflughäfen die Belastung mit Ultrafeinpartikeln. Die Ergebnisse: Menschen, die in einem Umkreis von fünf Kilometern um einen Flughafen leben, atmen Luft ein, die im Durchschnitt zwischen 3.000 und 10.000 ultrafeine Partikel pro Kubikzentimeter enthält. Besonders schlimm sind Gepäckabfertiger:innen auf den Außenbereichen der Flughäfen der Luftverschmutzung ausgesetzt. Sie atmen im Durchschnitt Luft mit 37.000 Partikeln pro Kubikzentimeter ein. Diese Belastung ist siebenmal höher als die der Flughafen-Beschäftigten, die in Innenräumen arbeiten.

Auch in bis zu 20 Kilometern rund um die Flughäfen sind Belastungen mit Ultrafeinpartikeln vorhanden. 52 Millionen Menschen, rund um die 32 untersuchten Großflughäfen in Europa sind der zusätzlichen Luftverschmutzung ausgesetzt. Hochgerechnet anhand der tatsächlich gemessenen Fälle von Krankheiten im Umkreis des Flughafens Amsterdam-Schiphol, könnte die die Belastung mit ultrafeinen Partikeln mit rund 280.000 Fällen von Bluthochdruck, ungefähr 330.000 Fällen von Diabetes und zirka 18.000 Fällen von Demenz in Europa in Verbindung stehen.

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Wie bereits Messungen im Jahr 2022 am Flughafen Frankfurt Main ergaben, sind Schmieröle eine wichtige Quelle für Ultrafeinstaub. Ebenso aber auch der im Kerosin enthaltene Schwefel und weitere Schadstoffe. Laut Studie von CE Delft könnte Schwefel- und Schadstoffarmes Kerosin die Menge an Ultrafeinpartikeln um 70 Prozent senken. „Im Straßen- und Schifffahrtssektor wurde dieser notwendige Schritt schon vor Jahren unternommen, aber im Flugverkehr herrschen noch Qualitätsstandards des letzten Jahrhunderts“, so Marte van der Graaf von Transport & Environment.

Mittelfristig müsse fossiles Kerosin zunehmend durch synthetisches Kerosin auf Basis Erneuerbarer Energien ersetzt werden, das mit weniger Schadstoffen belastet ist. “Neben technischen Maßnahmen muss es aber vor allem um Strategien zur Verringerung des Flugverkehrs gehen“, betont Anja Köhne von Germanwatch anlässlich der veröffentlichten Studie letzte Woche. Nötig seien hierfür der zügige Ausbau des Bahnverkehrs, um deutlich mehr Reisen auf die Schiene zu verlagern, ein Bewusstseins- und Verhaltenswandel bei Dienstreisen und Vielfliegenden, und die Unterstützung von angepassten Unternehmensstrategien von Fluglinien, Flughäfen und Flugindustrie.

Um das Fliegen klimaneutral zu machen, wird an mehreren Ansätzen geforscht. In der Vergangenheit ging es vor allem darum die Aerodynamik zu verbessern, leichtere Werkstoffe zu verbauen und effizientere Triebwerke zu bauen, um insgesamt den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Biokraftstoffe waren eine Zeitlang ebenfalls als Lösung angedacht, stehen aber zu stark in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und Landnahme. Kerosin aus Abfallstoffen wird wohl ein Nischenprodukt bleiben. Flugzeuge mit E-Antrieb werden wohl nur auf sehr kurzen Strecken funktionieren. Aussichtreicher Kandidat ist synthetisches Kerosin, hergestellt mit Erneuerbaren Energien. Dabei werden Wasser und CO2 mit Strom aus Solar-, Wind- und anderen Erneuerbaren Energien in Wasserstoff und Kohlenmonoxid umgewandelt und daraufhin in Raffinerie-Prozessen zu Kerosin veredelt.

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Bei dessen Verbrennung entsteht weiterhin CO2. Besser für das Klima ist das synthetische Kerosin nur, weil das CO2 für dessen Produktion zuvor aus der Atmosphäre entnommen wurde. Auch die Probleme mit Kondensstreifen und Ozon bleiben bestehen, die das Klima zusätzlich anheizen. Wissenschaftler:innen halten das künftige klimaneutrale Fliegen für eine Illusion, insbesondere weil der Flugverkehr zunehmen wird. Nur weniger Fliegen könnte Druck aus dem Kessel nehmen.

Dafür braucht es bessere Bahnverbindungen, etwa auf dem europäischen Kontinent. In Deutschland aber drohen Gelder aus dem Haushalt für die Bahn wieder zusammengestrichen zu werden. Ein fatales Signal für den bereits eklatanten Sanierungstau bei den Strecken. Zudem könnten die Preise für Bahnfahrer:innen steigen und Bahnverbindungen drohen gestrichen zu werden. Zudem zeigen viele nationale Bahnunternehmen in Europa wenig Interesse an einem Ausbau des europäischen Nachzugverkehrs. mg

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