VerkehrswendeLeicht gestiegene Investitionen in die Schiene reichen nicht aus

Dichtes Schienennetz mit Zügen an einem Bahnhof
Selbst wenn es, wie hier in Frankfurt am Main, so aussieht, in Deutschland fehlt es an ausreichender Schieneninfrastruktur. (Eva K / Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5)

Deutschlands Investitionen in die Schieneninfrastruktur sind im europäischen Vergleich weiterhin nur Mittelmaß. Leicht gestiegene Mittel reichen nicht aus. Eine Fondlösung für langfristige Planbarkeit wird angemahnt.

16.07.2024 – Immerhin, die Pro-Kopf-Investitionen in die Schieneninfrastruktur sind 2023 gegenüber 2022 gestiegen. Und es wurde mehr in die Schiene als in die Straße investiert. Ein genauer Blick auf die Zahlen birgt jedoch Ernüchterung. Denn die Mehrinvestitionen in die Schiene belaufen sich gerade einmal auf 51 zu 49 Prozent. Zum Vergleich: Österreich investiert 70 Prozent in die Schieneninfrastruktur und 30 Prozent in Straßen. In der Schweiz steht das Verhältnis 59 zu 41 Prozent zugunsten der Schiene.

Zudem sind die Schweizer bei den Pro-Kopf-Investitionen ganz vorne mit dabei. 477 Euro investierten die Eidgenossen letztes Jahr in Erhalt, Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Bei den Österreichern sind es 336 Euro Pro-Kopf. In Deutschland hingegen waren es 2023 nur 115 Euro. Das ist geringfügig mehr als 2022, mit 114 Euro Pro-Kopf. Berechnet hat diese Werte das Verkehrsbündnis Allianz Pro Schiene, die in den einzelnen Ländern die staatlichen Investitionen im betreffenden Haushaltsjahr in die Eisenbahninfrastruktur zusammengestellt und die Summe dann durch die Bevölkerungszahl geteilt hat. Dabei handelt es sich allein um die Investitionen des Staates in die Infrastruktur, nicht solche für den Betrieb.

„Das Jahr 2023 hat nur eine leichte Aufwärtsbewegung bei den Schienen-Investitionen gebracht, aber noch nicht den lange erwarteten Durchbruch für die Finanzierung der Schienen-Infrastruktur“, sagt Andreas Geißler, Leiter Verkehrspolitik der Allianz pro Schiene. Man schiebe bei der Sanierung der Schienen-Infrastruktur inzwischen eine Bugwelle von 92 Milliarden Euro vor sich her. Zumindest für dieses Jahr sei Besserung in Sicht. „Es wurde bereits jetzt das dritte Jahr in Folge etwas mehr in die Schiene als in die Straße investiert, was wir ausdrücklich begrüßen. Und ab dem laufenden Jahr 2024 wird die Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag eingelöst, erheblich mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren“, so Geißler.

Rund 17 Milliarden Euro stehen in diesem Jahr für sogenannte „Schienentitel“ zur Verfügung. Das sind sieben Milliarden mehr als noch 2023. Das könnte unter anderem helfen in Deutschland das digitale europäische Zugsicherungssystem ETCS systematisch auszubauen. Das European Train Control System ist Teil des künftig angedachten einheitlichen Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS), dass helfen soll den länderübergreifenden Zugverkehr zu verbessern. Sonst bliebe etwa das Ziel eines dichten europaweiten Netzes an Nachtzügen zwischen den Metropolen des Kontinents eine Utopie.

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Dafür braucht es aber in Deutschland wie in Europa deutlich höhere und langfristig angelegte sichere Investitionen. Geißler plädiert dafür, die Finanzierung der Schieneninfrastruktur grundsätzlich neu aufzustellen: „Nur wenn wir für mehrere Jahre Sicherheit und Planbarkeit haben, dass verlässlich Mittel für die Sanierung der Schiene, vor allem aber auch für den Neu- und Ausbau zur Verfügung stehen, nur dann können wir eine echte Verbesserung erzielen. Wir werben schon lange für eine überjährige Fondslösung, die die Beschleunigungskommission Schiene bereits 2022 empfohlen hat.“ Das jährliche Tauziehen um mehr Geld aus dem Bundeshaushalt müsse ein Ende haben.

Für 2025 ist nach der grundsätzlichen Einigung zum Haushalt bislang lediglich klar, dass die Bundesregierung 57 Milliarden Euro für Investitionen locker machen will – unter anderem für die Schieneninfrastruktur aber auch Straßen, Brücken und die Digitalisierung. Das Eigenkapital der Bahn soll „deutlich“ erhöht werden.

Kein anderes Land hat mehr Zugstrecken stillgelegt

Wie dringend nötig ein Hochlauf an Investitionen ist, zeigt der Blick in die nähere Vergangenheit. Allianz pro Schiene schätzt, dass seit 1995 auf netto 2.700 Kilometern Schiene der Personenverkehr eingestellt wurde. Für Personen- und Güterverkehr zusammen waren es bis 2020 sogar 6.700 Kilometer weniger, auf 38.400 Kilometer. Mit einem Anteil von 40 Prozent aller in Europa stillgelegter Bahnstrecken, hat kein anderes Land mehr Zugstrecken stillgelegt.

Zugleich wuchs der Personen- und Güterverkehr auf der Schiene. Mit den Fahrgastzahlen stieg die Verkehrsleistung, also das Produkt aus Reisendenzahl und zurückgelegter Strecke bis 2023 auf über 100 Milliarden Personenkilometer (Pkm) an. Ähnlich ist das Bild im Schienengüterverkehr: Hier stieg die Verkehrsleistung auf über 127 Milliarden Tonnenkilometer (tkm) in 2022.

Laut Allianz Pro Schiene kann mit den nun im Bundeshaushalt vorgesehenen Mitteln der Schrumpfungsprozess des Schienennetzes zwar gestoppt, aber nicht umgekehrt werden. Denn beim Neu- und Ausbau der Schienenwege hält der Bund sich nach wie vor zurück. Im Gegensatz zu Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien verfügt Deutschland nur rudimentär über Strecken, die eigens vom Hochgeschwindigkeitszug ICE genutzt werden. Lange Verspätungen sind im überlasteten Netz sind an der Tagesordnung. mg

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