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KlimaanpassungRichtlinie zur Verbesserung des Stadtklimas

Windskater auf dem ehemaligen Flugfeld Berlin Tempelhof
Windskaten auf dem freien Tempelhofer Feld – wichtige Kaltluftschneise für Berlin. (Foto: Peter Maiwald, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Städte sind von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen und kämpfen häufig mit Hitzestress. Der Verein Deutscher Ingenieure nennt in einer neuen Richtlinie Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas durch lokale Kaltluft.

03.07.2024 – Seit ersten Juli 2024 ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft. Nur wenige Städte und Gemeinden haben sich bislang mit dem Thema näher befasst – doch Wetterextreme mit Überschwemmungen infolge von Starkregen oder Hitzestau bringen viele Kommunen zunehmend unter Druck. Vor allem ein hoher Versiegelungsgrad und die bauliche Verdichtung machen Städten und ihren Bewohnern bei zunehmender Erderwärmung und Hitzeperioden schwer zu schaffen, es bilden sich urbane Hitzeinseln, die Zahl der Tropennächte steigt. Doch nur knapp ein Fünftel der deutschen Städte verfügt laut Bundesregierung über einen Hitzeschutzplan oder eine Strategie zur Klimaanpassung.

Klimaanpassung plus Klimaschutz bringt Resilienz

Städte müssen handeln – Maßnahmen für mehr Klimaschutz bewirken gleichzeitig eine höhere Resilienz. Grüne Infrastruktur in der Stadt kühlt die Temperatur im Durchschnitt um mindestens ein Grad Celsius, berichtet das Zentrum KlimaAnpassung, das im Auftrag des Bundesumweltministeriums Kommunen bei Maßnahmen unterstützen soll. Für die Durchlüftung der Stadt und um Hitze und Schadstoffe auszuleiten, werden bspw. Frischluftschneisen sowie Grünflächen und Wälder als Kalt- und Frischluftproduzenten lebensnotwendig.

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VDI-Richtlinie gegen Hitzestress

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat nun im Rahmen eines Pressegesprächs die neuesten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Stadtklimas durch lokale Kaltluft vorgestellt. Matthias Rau und Valeri Goldberg, beide renommierte Mitglieder des Fachbereichs „Umweltmeteorologie“ der Kommission Reinhaltung der Luft, haben die wichtigsten Aspekte der Richtlinie VDI 3787 Blatt 5 erläutert, die sich mit der Bedeutung von Ausgleichsströmungen in bebauten Gebieten befasst.

„Es kommt zu einer häufigeren und länger andauernden, überwiegend sommerlichen Überwärmung. Mit entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Stadtbewohner“, sagt VDI-Experte Matthias Rau. Vor allem die verminderte nächtliche Abkühlung spiele eine tragende Rolle. Denn Hitzetage (maximale Lufttemperatur ≥ 30°C) in Verbindung mit Tropennächten (minimale Lufttemperatur ≥ 20°C) versetzen den Körper in thermischen Stress. „Thermisch induzierte Ausgleichströmungen gewinnen daher zunehmend an Bedeutung. Denn die Sicherstellung der Zufuhr kühlerer Luft in den überhitzen Stadtkörper stellt eine wichtige Maßnahme im Kontext einer nachhaltigen Stadtplanung dar, um dem Klimawandel zu begegnen“, erläutert Meteorologe Valeri Goldberg.

Vorrangiges Ziel der Kaltluftversorgung im Siedlungsbereich sei es, in sehr warmen Nächten die aufgewärmten Wohngebäude zu kühlen, um die Schlafqualität in den Innenräumen zu verbessern, so die Wissenschaftler. Die Richtlinie VDI 3787 Blatt 5 „Lokale Kaltluft“ gibt Empfehlungen für die Einbeziehung des Phänomens der lokalen Kaltluft bei der Stadt- und Regionalplanung mit dem Ziel, das Klima innerhalb bebauter Gebiete für den Menschen zu verbessern.

Notwendige Anpassungsstrategien

Der VDI empfiehlt folgende fünf Maßnahmen:

  • Erhalt und Schaffung von Frischluftschneisen und Ventilationsbahnen: Diese tragen wesentlich zur Durchlüftung und Kühlung urbaner Bereiche bei
  • Grünflächenvernetzung und Bäume: Durch die Integration von Grünflächen und Alleen kann die Verdunstungsleistung erhöht und die Überhitzung reduziert werden
  • Lokale Begrünungsmaßnahmen: Fassaden- und Dachbegrünungen mindern die Gebäudeaufheizung und verringern den Kühlungsbedarf in Hitzeperioden
  • Entsiegelung von Flächen: Maßnahmen wie die Entsiegelung von Parkplätzen und Nebenstraßen erhöhen die Versickerungsleistung bei Starkregenereignissen
  • Verschattungssysteme: Diese reduzieren die Einstrahlung und tragen zur Abkühlung bei

Wie entsteht angenehme Kaltluft

Kaltluft bildet sich insbesondere in Strahlungsnächten mit wolkenlosem Himmel und schwachem Wind, erläutern die Forscher. Bodennah ströme diese kühlere Luft in bebauten Gebieten ab, wobei die topografischen Gegebenheiten eine wesentliche Rolle spielten. In ebenem Gelände ströme Kaltluft durch Druckunterschiede zwischen Freiland und Stadt in die urbanen Bereiche und sorge dort für thermische Entlastung.

Die Richtlinie VDI 3787 Blatt 5 biete dazu eine umfassende Darstellung der Entstehung und Dynamik von Kaltluft sowie methodische Ansätze zur Untersuchung und Modellierung von Kaltluftphänomenen. Sie solle nun als Leitfaden für die Planung und Umsetzung einer von mehreren effektiven Klimaanpassungsmaßnahmen in Städten dienen. Das neue Klimaanpassungsgesetz bezieht sich unter anderem auf die Stärkung der Klimaanpassung vor Ort. Für eine wirkungsvolle Vorsorge sollten möglichst flächendeckend, vornehmlich auf lokaler Ebene, Anpassungskonzepte und Maßnahmenpläne auf der Grundlage von Risikoanalysen erstellt werden, raten die Wissenschaftler. Die technischen Lösungen des VDI gingen direkt darauf ein – und sollten möglichst zügig in die Praxis umgesetzt werden. na

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