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Global ISDS-TrackerInvestitionsschutz heizt die Klimakrise an

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Klauseln zum Investitionsschutz gefährden die grüne Wende (Bild: Getty Images / Unsplash+).

Seit Jahrzehnten dienen Klauseln zum Investitionsschutz als Mittel gegen Menschen-, Klima-, und Umweltrecht. Der Global ISDS-Tracker hat alle bekannten Verfahren zusammengetragen. Klagen fordern häufig Entschädigungen in Milliardenhöhe.

10.06.2024 – Klagen von Investoren gegen Staaten, auch ISDS (Investor-state dispute settlement) genannt, sind in den vergangenen drei Jahrzehnten rasant gestiegen. Das zeigt die in der vergangenen Woche vorgestellte Datenbank Global ISDS Tracker der Nichtregierungsorganisation PowerShift, dem Transnational Institute und der Trade Justice Movement. Sowohl die Anzahl als auch die Höhe der geforderten Entschädigungen hat erheblich zugenommen – auch bei Streitbeilegungen zwischen Staaten und fossilen Konzernen.

Streit zwischen Staaten und ausländischen Investoren beilegen

ISDS-Klauseln sind fester Bestandteil der meisten Freihandels- und Investitionsabkommen. Auf dieser Basis können Investoren anderer Länder Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie die wirtschaftlichen Chancen ihrer Investitionen in einem Land gefährdet oder eingeschränkt wähnen.

Bereits der Gedanke hinter dieser Art Regelung ist zweischneidig. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass der Investorenschutz die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern unterstützt: Investoren müssen nicht fürchten, von einer lokalen Gerichtsbarkeit übervorteilt zu werden, und haben mehr Anreize, auch in politisch instabileren Ländern zu investieren.

Auf der anderen Seite ermöglichen ISDS reichen Investoren, Arbeit und Bodenschätze in wirtschaftlich schwächeren Ländern auszubeuten und die demokratisch legitimierte Gesetzgebung von Staaten auszuhebeln. In der ISDS-Datenbank sind alle 1362 weltweit bekannten ISDS-Fälle vermerkt, die nach Geographie und Industrie gefiltert werden können. Die Dunkelziffer ist allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit hoch. Denn Schiedsverfahren müssen nicht gemeldet oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Intransparenz der Verfahren, die von privat bestimmten und bezahlten Anwälten und nicht von Richtern entschieden werden, ist ein weiterer Kritikpunkt.

261 bekannte Entschädigungsforderungen von Fossilkonzernen

Fossile Konzerne nutzen hohe Entschädigungsforderungen in ISDS-Verfahren, um Klimaschutz und Menschenrechte auszuhebeln – häufig mit Erfolg. Über die vergangenen Jahrzehnte verklagten immer mehr fossile Energieunternehmen Staaten wegen Kohle- und Atomausstieg sowie anderen Klimagesetzgebungen. Die Entschädigungsforderungen fossiler Konzerne belaufen sich dabei auf insgesamt 327 Milliarden USD.

Grundlegend für viele dieser Verfahren ist das Investitionsschutzabkommen ECT (Energy Charter Treaty). Es wurde nach der Wende geschaffen, um Investitionen in die Energieversorgung in der ehemaligen Sowjetunion abzusichern. Der Schutz der Investoren vor Enteignung wird jedoch auch auf Regelungen ausgedehnt, die Erneuerbare Energien bewusst fördern und fossile Energieträger aus Gründen des Klimaschutzes einschränken sollen.

„Die Daten bestätigen, was wir seit Jahren sagen: ISDS ist ein Geheimwerkzeug der fossilen Industrie gegen Klimaschutzgesetze. Unternehmensgerichte bedrohen Regierungen, damit sie Forderungen der Bevölkerung nach mehr Klimaschutz ignorieren. Dies muss ein Ende haben, eine Reform ist dringend notwendig", so Tom Wills, Direktor des Trade Justice Movement. Der IPCC bezeichnete das Abkommen in seinem letzten Sachstandbericht ausdrücklich als Mittel der Fossilindustrie, Klimaschutz zu verhindern.

Der lange Arm der Schiedsgerichte

Die EU-Staaten sind in diesem Jahr mehrheitlich aus dem ECT ausgetreten. Nach seinem Austritt haben Energiekonzerne allerdings noch 20 Jahre lang das Recht, ein Land für Entscheidungen vor dem Ausstieg zu verklagen. Der Europäische Gerichtshof hatte 2021 entschieden, dass Schiedsgerichtsverfahren zwischen EU-Staaten nicht mit europäischem Recht vereinbar sind. Die Konsequenzen daraus sind noch unklar, bisher klagen fossile Konzerne weiter.

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Neben Vorschriften für Öl, Gas und Atom haben Unternehmen Staaten bereits für Gesetze gegen Wasserverschmutzung, Fracking und Bergbau sowie anderen Umweltvorschriften verklagt. Die Daten belegen zudem, dass Milliardenklagen deutlich zugenommen haben. 129 Klagen forderten mehr als 1 Milliarde USD. Von einem Gesamtklagevolumen von 856,74 Milliarden USD gegen Staaten wurden 113,87 Milliarde klagenden Unternehmen zugesprochen.

„Die Länder des globalen Südens sind die Hauptopfer von ISDS, während hauptsächlich Investoren aus Europa und Nordamerika davon profitieren. Damit werden öffentliche Gelder in die Hände einiger weniger Konzerne und ihrer Aktionäre transferiert. Das muss aufhören", fordert Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift.

In dieser schwierigen Zeit, in der Staaten dringend verstärkte Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müssten, sei es untragbar, dass Unternehmen durch gerichtliche Entscheidungen sämtliche dieser Bemühungen zunichte machen könnten, betont Lucía Bárcena, Expertin für Handelspolitik beim Transnational Institute. „Die Abschaffung von Investitionsschutzabkommen, die fossile Brennstoffe und Bergbauunternehmen schützen, sollte in den kommenden Jahren unsere höchste Priorität sein." jb

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