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EU-RatÖsterreichs Stimme für und gegen das Renaturierungsgesetz

Eine Frau mit rotem Shirt, schwarzen Balzer und blonden Haaren spricht auf einem Podium
Leonore Gewessler ist seit Januar 2020 Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Österreich unter drei Bundeskanzlern der ÖVP (Bild: Die Grünen from Vienna, Austria - PK_Frühjahrskampagne_09032023, CC0)

Ihre Zustimmung war entscheidend. Österreichs grüne Umweltministerin Leonore Gewessler sprach sich für das EU-Renaturierungsgesetz aus. Doch das entgegen ihres Koalitionspartners, der Konservativen ÖVP. Die reichte Nichtigkeitsklage ein.

18.06.2024 – Martin Häusling, Abgeordneter von Bündnis 90/die Grünen im Europaparlament und Sprecher für Agrarpolitik, dankte am gestrigen Morgen via X vor allem Österreichs grüner Umweltministerin Leonore Gewessler „für ihre entscheidende Rolle bei der Verabschiedung dieses Gesetzes“. Im Ringen der EU-Staaten um das europäische Renaturierungsgesetz stimmte Gewessler beim Treffen der EU-Umweltminister:innen für eine neue Renaturierungsverordnung, obwohl ihr Koalitionspartner in Österreich, die ÖVP, dagegen ist.

Aufgrund knapper Verhältnisse der Lager für und gegen das Gesetz, war Österreichs Stimme entscheidend, dass es beschlossen werden konnte. Die ÖVP erwägt nun Klage wegen vermeintlichen Amtsmissbrauchs einzulegen. Von einem Bruch des Verfassungsrechts ist die Rede. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer erklärte, Gewessler sei nicht berichtigt solch eine Entscheidung zu fällen. Doch Gewessler setzte sich über ihren Koalitionspartner hinweg, da sie überzeugt sei, „dass es jetzt an der Zeit ist, dieses Gesetz zu verabschieden."

Über 80 Prozent der europäischen Lebensräume sind nach Angaben der Europäischen Union in einem schlechten Zustand. Zudem sind zehn Prozent der Bienen- und Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht und 70 Prozent der Böden in einer schlechten Verfassung. Dem soll mit Maßnahmen entgegnet werden.

Es geht um die Wiederbefeuchtung trockengelegter Moorgebiete, die verbesserte Vernetzung von natürlichen Lebensräumen, weniger oder gar keine chemische Pestizide und Düngemittel in der Landwirtschaft, Beseitigung nicht heimischer Pflanzen in der Natur und grundsätzlich Förderung und Erhalt von Wildnis. Bis 2030 sollen 30 Prozent der gefährdeten Gebiete wiederhergestellt werden, bis 2040 60 Prozent und bis 2050 90 Prozent. Zudem sollen mindestens 3 Milliarden zusätzliche Bäume bis 2030 angepflanzt werden.

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Vor allem die konventionelle Landwirtschaft befürchtet weiterhin Nachteile für ihr Geschäft. Dabei hatte sie es bereits im Vorfeld geschafft Kompromisse in ihrem Sinne in den Gesetzestext einzubringen. So sind Bauern nicht, wie ursprünglich geplant, verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Felder dem Naturschutz-Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Der deutsche Bauernverband aber sieht das Gesetz weiterhin als Rückschritt. „Der Grundansatz des Naturwiederherstellungsgesetzes bleibt eher rückwärtsgewandt und ordnungspolitisch mit weitreichenden Vorgaben und pauschalen Zielen für die Mitgliedsstaaten“, sagte deren Generalsekretär Bernhard Krüsken.

Umweltverbände dagegen zeigen sich erfreut. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sagte: „Es ist die wichtigste Initiative im europäischen Naturschutz seit 30 Jahren und ein Zeichen der Hoffnung, dass am Ende des mehr als zweijährigen Gesetzesprozesses nun dieser finale Beschluss steht.“ Es reiche nicht länger, die Natur nur zu bewahren, sondern es müsse nun großflächig renaturiert werden.

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Mit Blick auf die Bundesregierung und Debatte um den Haushalt sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Konsequenter Natur- und Klimaschutz heißt gerade in den aktuellen Haushaltsdiskussionen die Verstetigung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz, um unsere Wälder wiederaufzubauen und die Schwammfunktion unserer Landschaft wiederherzustellen. Die Bundesregierung muss nun ihrer Verantwortung gerecht werden und die Lehren aus den jüngsten Überflutungen in Deutschland ziehen.“

Aus Deutschland hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke für das Gesetz gestimmt, mit Rückendeckung der gesamten Bundesregierung. "Ich begrüße sehr, dass die EU-Mitgliedstaaten heute die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur beschlossen haben. Der in den Verhandlungen erzielte Kompromiss stellt eine ausgewogene Balance aller Interessen her. Der heutige Beschluss ist ein Bespiel für die Kompromissfähigkeit der europäischen Staaten und ein Beleg für die gemeinsame Verantwortung“, so Lemke am gestrigen Montag.

Ein Kompromiss, den einige Konservative in den EU-Staaten nicht mitgingen. Finnland, Ungarn, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden stimmten gegen das Gesetz. Belgien enthielt sich. Bereits im EU-Parlament hatten im Februar Konservative und rechte Parteien gegen Maßnahmen zur Renaturierung gestimmt. Nur mit einer knappen Mehrheit von Grünen, Linken, Liberalen und Sozialdemokraten ging das Gesetz durch das Parlament. Mit der neuen Sitzverteilung im Parlament nach der Europawahl wäre das Gesetz gescheitert.

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In Österreich droht derweil eine Staatskrise. Beobachter sehen die Koalition zwischen konservativer ÖVP und Grünen in Gefahr. In einem Statement am gestrigen späten Nachmittag erklärte Bundeskanzler Nehammer, dass man die Koalition zwar nicht aufkündigen, aber nun mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Beschluss von Gewessler vorgehen werde. Neben der Androhung einer Klage wegen Amtsmissbrauchs in Österreich, hat die ÖVP bereits eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht. Verfassungsexpert:innen äußerten im Standard geringe, aber mögliche Erfolgsaussichten für eine Amtsmissbrauchsklage nach österreichischem Strafrecht, aber wenig Chancen für eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof. Es ist auch als Auftakt in den Wahlkampf zu verstehen. Am 29. September werden Parlamentswahlen in Österreich durchgeführt. mg

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