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10 Jahre Bündnis BürgerenergieDas genossenschaftlich organisierte Elektroauto

Elektroauto in Landschaft
Elektromobilität auf dem Lande – die Genossenschaft Bürger für Bürger aus dem Landkreis Forchheim macht dafür ein Angebot. (Foto: BfB eG)

Mit dem Carsharing eines Elektroautos auf dem Lande wagte sich die Energiegenossenschaft Bürger für Bürger aus dem Landkreis Forchheim erfolgreich an ein schwieriges Unterfangen. Darüber hinaus realisierte sie einige PV-Anlagen.

22.05.2024 – Als Keimzelle für die Energiegenossenschaft Bürger-für-Bürger-Energie eG im Landkreis Forchheim gilt die Gemeinde Neunkirchen am Brand. Wie bei anderen Genossenschaften auch, rüttelte die Reaktorkatastrophe in Fukushima die Menschen wach. Der Wunsch war groß, die Energieversorgung sicher und in den eigenen Händen zu wissen. Barbara Cunningham, eine der Aktiven der ersten Stunde, hatte über ihr Netzwerk von einer anderen Energiegenossenschaftsgründung gehört und lud zum Stammtisch in die Gastwirtschaft. Das Folgetreffen fand schon in größerer Runde statt und man beschloss, den Gründungsschritt zu gehen. Auch der Landrat war 2012 als Gründungsmitglied an Bord.

Auf der Suche nach konkreten Projekten wurden die Mitglieder schnell fündig. Innerhalb von zwei Wochen wurde das Dach des Bauhofes als PV-Projekt unter Dach und Fach gebracht. Kurz danach wurde die Anlage tatsächlich gebaut. Sie versorgt den Bauhof direkt mit Strom vom Dach.

Solaranlage auf Militärbunker

Rüdiger Sudhoff, ehemaliger Vorstand und jetziger Aufsichtsrat, erinnert sich: „Wir sind zwar langsam, aber stetig gewachsen, allerdings haben wir uns auch bei jeder Gelegenheit präsentiert und vorgestellt.“ Anfang 2014 bot sich eine Gelegenheit für ein größeres Projekt. Die Bunkeranlagen des ehemaligen Munitionslagers Uttenreuth sollten dauerhaft geschlossen und von oben mit Erdaushub abgedeckt werden. Auch hier bot sich Photovoltaik an.

Das Projekt wurde unter Federführung der naturstrom AG zusammen mit der Energiegenossenschaft EWERG eG aus Erlangen Höchstadt der Bürger-für-Bürger-Energie, sowie der KEG eG, der Mitarbeitendengenossenschaft der naturstrom realisiert. In drei Bauabschnitten entstand eine PV-Anlage mit einer Gesamtleistung von 7,5 Megawatt. Allerdings stellte das damals ins Leben gerufene Kleinanlegerschutzgesetz die betriebswirtschaftliche und vertragliche Struktur in Frage, so dass am Ende jeder Beteiligte Eigentümer und Betreiber einer Teilanlage des Solarparks mit einem gemeinsamen Einnahmen- und Ausgabenpool wurde.

Sudhoff berichtet, dass die Genossenschaft von Anfang an versuchte, sich breit gefächert aufzustellen, unter anderem auch mit einem Nahwärmeprojekt in Neunkirchen am Brand. Doch dies kam leider nicht zustande, wie auch einige andere PV-Projekte nicht. Zu hohe Erwartungen in Bezug auf die Rendite, Denkmalschutz oder überzogene Pachtforderungen waren einige der Gründe. Ein eigenes Windprojekt wurde Anfang 2014 bereits im Rahmen der Regionalplanung von sehr aggressiven Gegnern niedergerungen. Projekte an anderen Standorten ereilte das gleiche Schicksal.

Die Genossenschaft beschloss, sich in der näheren Umgebung umzusehen und beteiligte sich an zwei Windrädern in Betzenstein-Hüll. Kurz darauf – 2014 – kam die 10H-Regel für Bayern, seitdem war die Errichtung von Windkraftanlagen in Bayern nahezu unmöglich. Erst 2022 wurde sie etwas gelockert.

Elektroauto im Carsharing – und das auf dem Land

2017 schließlich wagte sich die Genossenschaft an ein Pionierprojekt. Sie schaffte sich ein Elektroauto an – zum Zwecke des Carsharings. Jeder, der sich schon einmal mit Carsharing beschäftigt hat, weiß, dass das im ländlichen Umfeld kein einfaches Unterfangen ist.  Sudhoff und seine Mitstreiter:innen wollten mit dem Renault Zoe die Elektromobilität bekannt machen, die damals längst noch nicht so verbreitet war wie heute.

Hinter der Carsharing-Idee stand natürlich auch das Konzept, zu zeigen, dass nicht jeder ein eigenes Auto braucht und das man mit gemeinsam genutzten Fahrzeugen sehr viele Ressourcen sparen kann. Seit mittlerweile sieben Jahren ist das Auto nun schon im Einsatz. Die Gemeinde am Heimatstandort hat gerade mal 6.000 Einwohner, der Kreis der möglichen Nutzer und Nutzerinnen ist also begrenzt, die wirtschaftlichen Aspekte standen aber nicht im Vordergrund.

Die Gemeinde überließ einen Stellplatz am alten Bahnhof, zentral gelegen, wo die Genossenschaft auf eigene Kosten eine Ladesäule errichtete. Den Strom fürs Laden bezieht die Genossenschaft von der Gemeinde, die inzwischen Ökostrom-Kunde ist.

Bei Miete und Abwicklung wurde nach einfachen und preiswerten Lösungen gesucht. Der Mietpreis bestimmt sich nach Stunden, für Mitglieder gilt eine Pauschale von vier Euro pro Stunde, Nichtmitglieder zahlen 5 Euro. Dauert die Nutzung länger als 8 Stunden, gilt ein anderer Tarif. Zusammen mit drei anderen Gemeinden wurde ein gemeinsames Internet-Portal zur Abwicklung der Mietvorgänge geschaffen. Die Abrechnung allerdings erfolgt immer noch händisch.

Über 90 Fahrer und Fahrerinnen sind inzwischen als Kunden angemeldet, etwa 20 nutzen das Auto regelmäßig. Waren es in der Anfangszeit 300 bis 400 Euro Einnahmen im Quartal, so sind es mittlerweile gute 2.000 Euro. Um Pflege und Wartung kümmert sich ein Genossenschaftsmitglied ehrenamtlich. 2021 mündete das E-Carsharing-Projekt in einer Auszeichnung vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie als „Gestalter im Team Energiewende Bayern“.

Kommunen sind seit zwei Jahren aufgeschlossener

Wie alle Vorstände vor ihr arbeitet auch die aktuelle Vorständin Verena Steindl ehrenamtlich für die Genossenschaft. Sie wohnt zwar in München, ist der Gegend um Forchheim jedoch verbunden. Hauptberuflich arbeitet sie für ein Start-up, das gewerbliche Batteriespeicher aus gebrauchten Elektroautobatterien baut. In der Genossenschaft Bürger-für-Bürger-Energie mit rund 190 Mitgliedern kümmert sie sich vor allem um die Kommunikation.

Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges beobachtet Steindl deutlich Energiewende-interessiertere Kommunen. Innerhalb kurzer Zeit kamen PV-Projekte auf zwei Kindergärten der Umgebung und auf dem Dach einer Grundschule zustande. Eine Beteiligung an einem Windprojekt ist ebenfalls in Aussicht.

Limit für noch mehr Projekte sind einerseits die Flächen, aber auch die verfügbare Zeit der Mitglieder. „Nur etwa eine Handvoll Mitglieder können sich auch zeitlich voll für die Genossenschaft engagieren. Zusätzliche Mitstreiter sind jederzeit herzlich willkommen. Das ist schon ein Manko“, berichtet Steindl. Aber sie bemerkt auch die großen Projektierer, die auf Projektsuche sind und den Flächenbesitzern hohe Pachten versprechen.

Die Vorständin Verena Steindl will sich auf jeden Fall weiter engagieren und sagt: „Ich finde Bürgerenergiegenossenschaften gut und wichtig, weil sie Gemeinschaften befähigen, lokal erzeugte erneuerbare Energie zu nutzen und gleichzeitig die regionale Wirtschaft zu stärken. Ich denke, dass in Zukunft Bürgerenergiegenossenschaften eine noch bedeutendere Rolle spielen werden, da das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und lokale Energiewende zunimmt und die dezentrale Energieerzeugung weiter an Bedeutung gewinnt.“ Petra Franke

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