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BürgerbeteiligungFinanzielle Teilhabe an Erneuerbaren Anlagen

Mann mit Kind auf der Schulter in einem Kornfeld, im Hintergrund Windkraftanlagen
Die finanzielle Beteiligung von Kommunen und Anwohnern an neuen Windenergieanlagen regelt in NRW ein Landesgesetz. (Foto: Unsplash+ in Zusammenarbeit mit Getty Images / Unsplash-Lizenz)

Beim Bau Erneuerbarer Kraftwerke gibt es ein Momentum, das bei sonstigen Investitionen nur selten vorkommt. Die finanzielle Beteiligung von Kommunen und Anwohnern soll zum Standard werden und die Wertschöpfung der Energiewende allen zugutekommen.

13.06.2024 – Erneuerbare Energien Anlagen sind in der Regel profitable Kraftwerke, gut angelegtes Geld. Nicht nur professionelle Investoren haben das längst verstanden, sondern auch Bürgerenergiegenossenschaften und Privatleute. Aber der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit, noch viele neue Anlagen zu bauen, steht eine andere Komponente im Weg – die Fläche. Sie ist ein knappes Gut. Immer schwerer wird es für Projektierer, Gemeinden und Kommunen zu überzeugen, Flächen für die Energiegewinnung auszuweisen. In der Vergangenheit wurden viele Anlagen gebaut, von denen die Kommunen nicht profitierten – und damit auch nicht die Menschen vor Ort. Die Akzeptanz neuer Anlagen ist nicht mehr selbstverständlich.

Nachdem diese Lücke verstanden war, dauerte es noch einige Jahre, bis die Politik reagierte. Seit Anfang 2021 ermöglicht das EEG die finanzielle Beteiligung von Gemeinden und Kommunen an Windenergieanlagen und Solarparks. Mit dem EEG 2023 wurde die Kommunalbeteiligung nochmals ausgeweitet. Nun können auch Projektierer von PPA-Anlagen Einnahmen aus der Stromerzeugung an die Standortgemeinde abführen und dafür eine entsprechende Vereinbarung schließen. Aus der Kann-Vorschrift wurde eine Soll-Vorschrift, verpflichtend ist die Beteiligung allerdings nicht.

Bisher keine bundeseinheitliche Regelung für verpflichtende Beteiligung

Die Bundesländer können weitergehende Regeln auf Landesebene schaffen. Schon vor der Regelung im EEG hatten Mecklenburg-Vorpommern (2016) und Brandenburg (2019) eigene Beteiligungsvorgaben erlassen. Gegen das Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern klagte ein Projektentwickler, das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch im Jahr 2022 die Rechtmäßigkeit des Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern fest.

In mehreren Bundesländern sind derzeit Beteiligungsgesetze in Planung. Parallel dazu gibt es aus der Branche aber auch den Wunsch nach einer bundeseinheitlichen Regelung.

Ende Dezember 2023 verabschiedete Nordrhein-Westfalen ein Bürgerenergiegesetz, dass die Projektierer zur Beteiligung der Gemeinden beim Bau neuer Windkraftanlagen verpflichtet. Für Freiflächen-Solarparks gilt das Gesetz allerdings nicht. Nur 14 Paragrafen umfasst das Gesetz und verdient ob seiner Einfachheit ein Lob.

Die Grundzüge des Bürgerenergiegesetzes NRW

Zuerst setzt das Gesetz auf die individuelle Vereinbarung zwischen Projektierer und Gemeinde. Wird sie geschlossen, kommen die verpflichtenden Regeln des Bürgerenergiegesetzes nicht zur Anwendung. Bleibt sie aus, werden die Anlagenbetreiber verpflichtet, 0,2 Cent für jede erzeugte Kilowattstunde an die Gemeinde zu zahlen. Zusätzlich soll der Anlagenbetreiber Anwohnerinnen und Anwohnern ein Investitionsangebot in Form eines Nachrangdarlehens anbieten. Die Verzinsung richtet sich nach Zinssätzen der KfW. Aktuell beträgt die festgelegte jährliche Verzinsung rund 6,3 Prozent über eine Laufzeit von 10 Jahren. Wird diese Pflicht-Beteiligung nicht fristgerecht umgesetzt, erhält die Standortkommune eine Abgabe von 0,8 Cent je erzeugter Kilowattstunde bis die Pflicht erfüllt wird.

Zusätzlich wird eine Transparenzplattform geschaffen, um Bürger und Gemeinden zu ermöglichen, Beteiligungsmodelle zu vergleichen und die jeweils beste Beteiligungsvereinbarung zu finden.

Seit Anfang 2024 ist das Gesetz in Kraft. Bis es zu Vereinbarungen auf Grundlage des Gesetzes kommt, wird es wohl noch gewisse Zeit dauern, denn das Gesetz räumt Vorhabenträger und Kommune einen Verhandlungsspielraum von einem Jahr ein. „Erst wenn Projektierer und Kommune sich in dieser Zeit nicht auf eine individuelle Vereinbarung verständigen, macht das Gesetz konkrete Vorgaben zu Beteiligungsoptionen“, erklärt Mirco Sieg von der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz im Interview.

Leitfaden informiert über Wege zur finanziellen Beteiligung

Seit kurzem ist ein Leitfaden der Landesgesellschaft verfügbar, der nicht nur den Gemeinden in NRW als Wegweiser in die kommunale Beteiligung an Erneuerbaren Anlagen dienen kann, sondern sich als Grundlage und Wegweiser für alle Kommunen in Deutschland präsentiert. Im Leitfaden sind zunächst die verschiedenen Interessengruppen dargestellt. Denn nicht nur die Kommune und Anwohner gilt es einzubeziehen, sondern auch Finanzinstitute, Stadtwerke, Flächeneigentümer und evtl. bereits bestehende Bürgerenergiegesellschaften. Die verschiedenen Interessen zu kennen und auf sie einzugehen, ist bestimmt von Vorteil.

Weiter wird der Werkzeugkasten finanzieller Beteiligungen systematisiert, die einzelnen Bausteine beschrieben und bewertet. Infokästen zu speziellen rechtlichen Konstellationen runden das Kapitel ab. Schließlich wird der Beteiligungsprozess an sich beleuchtet – wer sollte wann miteinander sprechen und welche Meilensteine bis zum Beteiligungsvertrag gilt es zu absolvieren. pf

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