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Kommunale WärmeplanungRisikofaktor Wasserstoffnetze

ein pinkes und mehrere braune Röhren laufen an einer Konstruktion entlang
Gasnetz H2-Ready? (Foto von Martin Adams auf Unsplash)

Für viele gilt sie als Baustein der Wärmewende: die Umstellung von Gasnetzen auf Wasserstoff. Doch ein neues Rechtsgutachten sieht die kommunale Wärmeplanung mit Wasserstoff als derzeit nicht verantwortbar an.

14.06.2024 – „Eine 100-prozentige Versorgung mit Wasserstoff über die Verteilnetze ist technisch möglich und sinnvoll“, so die Annahme des Deutschen Vereins Gas- und Wasserfachs (DVGW). Der Lobbyverein preist die vermeintlichen Vorzüge von Wasserstoff, auch als künftiger Wärmelieferant für private Haushalte. Grün erzeugte Wasserstoff könne ein wichtiger Baustein der Wärmewende sein, weil für dessen Verteilung die vorhanden Gasnetze genutzt werden könnten.

Laut einer im Dezember 2023 veröffentlichten Studie des DVGW sei schon jetzt eine Beimischung von bis zu 20 Volumenprozent Wasserstoff zum Erdgas möglich, ohne das Gasnetz umzubauen. für eine 100-Prozentige Versorgung mit Wasserstoff müsse das Gasnetz H2-Ready gemacht werden. „Um das Gasnetz in einem Zeitraum von 30 Jahren fit für Wasserstoff – also H2-ready – zu machen, werden Mehrkosten in Höhe von rund 45 Milliarden Euro entstehen“, so der DVGW.

Die Arbeit der Gas-Lobby zeigte auch im neuen Heizungsgesetz Wirkung. Medienkampagnen, vor allem in der Springer Presse, sowie direkte Treffen mit der Politik und die Haltung der FPD zu dem Thema – Stichwort: „Technologieoffenheit“ – führten dazu, dass auf lange Sicht noch Gas-Heizungen eingebaut werden dürfen, solange die H2-Ready sind, also für den Einsatz mit Wasserstoff ausgelegt. Neben dem DVGW ist es vor allem der Lobbyverband Zukunft Gas, der Wasserstoff als Heilsbringer der Wärmewende propagiert und dafür auch versucht Stadtwerke einzuspannen. Immer mehr Stadtwerke treten jedoch aus der Gas-Lobby aus.

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Nach intensiv geführten Debatten ist Teil des Heizungsgesetzes auch die kommunale Wärmeplanung die vorsieht, dass Kommunen bis 2026 (über 100.000 Einwohner) bzw. 2028 (unter 100.000 Einwohner) einen Wärmeplan vorstellen, der ausweist, wie Gebiete ihrer Kommune am besten mit Wärme versorgt werden können. Ein Rechtsgutachten der Umweltrechtskanzlei Günther kommt nun zu dem Ergebnis, dass eine kommunale Wärmeplanung mit Wasserstoff derzeit nicht verantwortbar ist.

Geregelt ist das Umgangssprachlich genannte Heizungsgesetz im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und Wärmeplanungsgesetz (WPG). Die Rechtsanwälte untersuchten im Auftrag des Umweltinstituts München, Deutschen Umwelthilfe, dem WWF, GermanZero und dem Klima-Bündnis, WPG und GEG dahingehend, welche Handlungsspielräume Kommunen bei der Bewertung von Wasserstoff im Zuge der kommunalen Wärmeplanung haben. Der lokale Gasverteilnetzbetreiber müsse im Fahrplan die hohen Anforderungen des GEG erfüllen und zusichern, dass er die Mehrkosten von Gebäudeeigentümer:innen für Umbauten am Heizsystem übernimmt, sollte die Wasserstoffversorgung scheitern, so die Gutachter:innen.

Stehe eine Vereinbarung eines solchen Fahrplans zwischen der Kommune und dem Gasnetzbetreiber nicht verbindlich in Aussicht, müsse die Kommune Wasserstoff für Haushalte bereits frühzeitig aus der Wärmeplanung ausklammern, um keine Zeit und Ressourcen für unrealistische Lösungen zu verschwenden.

Aufgrund der großen Unsicherheiten des künftigen Angebots und Bedarfs an grünem Wasserstoff könne ein solcher Fahrplan insbesondere in der kurzen Zeit bis 2026 bzw. 2028 nicht vorgelegt werden. Auch fehle es noch an regulatorischen Vorschriften für Gas- und Wasserstoffnetze. Sollte die lokale Industrie indes später einmal grünen Wasserstoff benötigen, könnten Kommunen unabhängig von der Wärmeplanung Wasserstoffleitungen speziell für die industrielle Nutzung planen.

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Die Kommunen müssten nach heutigem Stand Wasserstoff als Versorgungslösung für Haushalte „als mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirtschaftlich bewerten“, so Gutachter:innen und das Bündnis aus Klima- und Umweltverbänden. Dabei hätten diese eine starke Rechtsposition. „Weder die Gaskund:innen noch der Gasverteilnetzbetreiber oder Gasversorger haben einen Anspruch darauf, dass die Kommune Wasserstoff für die Versorgung von Haushalten vertieft prüft oder gar Wasserstoffnetzgebiete beschließt oder sie in der kommunalen Satzung ausweist. Die Wärmeplanung begründet keine Klagebefugnis“, so Bündnis und Gutachter:innen in einem Infoblatt an die Kommunen.

„Es ist gut, dass das Gutachten die Kommunen nun auch rechtlich darin bestärkt, die von Gasbranchenverbänden forcierte Umstellung der Gasverteilnetze auf Wasserstoff abzulehnen“, sagt Wiebke Hansen vom Umweltinstitut München. Kommunen können sich so besser auf den Ausbau der Stromnetze und der Fernwärme konzentrieren.

Andreas Wolter, Bürgermeister der Stadt Köln und Vorstandsvorsitzender des Klima-Bündnis, sagt: „Die kommunale Wärmeplanung ohne Wasserstoff schützt wertvolle finanzielle und personelle Ressourcen der Kommune, indem sie auf tatsächlich grüne und verfügbare Technologien fokussiert. Außerdem hat sie einen positiven Einfluss auf lokale Klimaziele, da die Planung und Ausweisung von Wasserstoffnetzgebieten den Ausstieg aus fossilem Gas deutlich verlangsamen könnte.” mg

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