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Bild: sochili

Nachgefragt 01.07.2024

Chilis für grünen Strom im globalen Süden

Mit Chilisaucen will Sochili nicht nur fairen biologischen Anbau und Handel unterstützen, sondern auch den Zugang zu Erneuerbarem Strom in Ländern des globalen Südens ermöglichen. Gründer Moritz Everding erzählt von seinem sozial-scharfen Startup.

Moritz Everding, Gründer & Geschäftsführer des Social Startups Sochili


Nachgefragt 01.07.2024

Chilis für grünen Strom im globalen Süden

Mit Chilisaucen will Sochili nicht nur fairen biologischen Anbau und Handel unterstützen, sondern auch den Zugang zu Erneuerbarem Strom in Ländern des globalen Südens ermöglichen. Gründer Moritz Everding erzählt von seinem sozial-scharfen Startup.

Bild: sochili

Moritz Everding, Gründer & Geschäftsführer des Social Startups Sochili



Wie bist du auf die Idee für Sochili gekommen?

Die Gründungsgeschichte fängt schon im Jahr 2010 an. Da habe ich als Austauschschüler in Mexiko die Liebe zu Chilis für mich entdeckt. Zurück zuhause kamen Chilisaucen bei mir auf alles. Als ich dann studiert habe und bei mir der Traum aufkam, selber mal etwas zu starten, war sofort klar, dass es eine Chilisauce sein soll. Meine Masterarbeit habe ich dann über bewusst nachhaltige Produkte geschrieben, um zu untersuchen, warum Menschen zu nachhaltigen Produkten greifen. Herauskristallisiert hat sich dabei der Purpose, also der Zweck, der hinter einem Produkt steht. Ich habe mich aber nicht getraut, direkt nach dem Studium zu gründen. Stattdessen bin ich erst in einer Agentur gelandet, im Bereich Innovation, wo ich drei Jahre Erfahrungen sammeln konnte. Ich fürchte, ich habe während dieser Zeit die Leute schon immer damit genervt, dass ich eines Tages eine Chilisauce auf den Markt bringen werde, die einen Purpose hat.

Du hast nebenbei auch einen Podcast, in dem du mit Social Entrepreneuren sprichst.    

Ich kannte niemanden in der Start-Up-Szene und hatte keine Ahnung, wie man ein Social Business startet. Mit meinem Kumpel Boris habe ich deshalb den Podcast „Purpose Projects“ gestartet. Das ist ein Hobby-Projekt, wo wir mit Leiterinnen und Leitern von Social Businesses sprechen. Irgendwann hatten wir Torsten Schreiber zu Gast, den Gründer von Africa GreenTec. Das ist ein Unternehmen, das Dörfern im globalen Süden mit Solaranlagen zum allerersten Mal Zugang zu Strom verschafft. Im Podcast sind wir auf meine Chilisaucen-Idee zu sprechen gekommen. Zuerst haben wir ein bisschen mit der Idee geflachst, wir könnten uns zusammentun und mit Chilisaucen sauberen Strom ermöglichen. Tatsächlich habe ich dann ein paar Monate später meinen Job im Innovationsbereich an den Nagel gehängt und mit Torsten Schreiber zusammen Sochili gegründet. Das Unternehmen hat den Purpose, Farmerinnen und Farmer im globalen Süden zu empowern – im wahrsten Sinne des Wortes. Pro verkaufter Chilisauce ermöglichen wir einen Tag Strom für Menschen, die ihr Leben bisher komplett ohne Strom gestalten.

Eine Chilisauce sorgt für einen Tag Strom – wie funktioniert das?

Sochili verbindet Unternehmertum und Vereinsarbeit. Mit jeder Chilisauce, die wir verkaufen, wird automatisch eine Spende ausgelöst, die an die Africa GreenTec Foundation geht.      Das Thema finanzielle Armut ist in Ländern wie Senegal leider genauso gravierend wie Stromarmut, gerade auf dem Land. Das heißt, dass jede zweite Person nicht nur ohne Strom lebt, sondern auch unterhalb der Armutsgrenze. Sie können sich den Strom nicht leisten, auch, wenn es den Zugang dazu gibt. Das sind die Menschen, die wir unterstützen wollen. Wir arbeiten direkt mit einer Ansprechperson vor Ort und mit einem Impact Modell. Das bedeutet, den Familien werden die Installationskosten geschenkt. Sie bekommen die Stromleitung zu sich nach Hause gestellt und wir übernehmen die Stromkosten für ein Jahr. Von Anfang an machen wir mit den Familien Empowerment-Workshops. Wir wollen keine Abhängigkeiten, sondern strukturellen Wandel schaffen. Im nächsten Schritt geht es dann darum, wie man den Strom nutzen kann, um Wert zu schöpfen. Wir wollen die Familien empowern, den Strom später selbst zahlen zu können. Die Menschen vor Ort wissen schon, wie sie den Strom am besten nutzen können. Der Zugang zu Strom ist wie ein Schritt in einen neuen Kreislauf, über den man aus finanzieller Armut ausbrechen kann. Genau das fasziniert mich am Strom.

Welche Ideen haben die Familien, die ihr unterstützt, bisher schon umgesetzt?

Mit Strom können zum Beispiel Lebensmittel gekühlt werden. Für einen warmen Saft bekommt man auf dem Markt vielleicht zehn Cent, für einen kalten schon 30 Cent. Mit einer Kühlbox kommt die Familie also schon deutlich weiter als ohne. Der Strom ermöglicht auch Kindern rechtzeitig ins Bett zu gehen, weil sie am Abend genug Licht haben, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Zuvor haben sich in den Dörfern viele Kinder ein Mobiltelefon geteilt, das sie als Taschenlampe nutzten, um abends noch lernen zu können. Das Telefon wurde weitergereicht und musste immer im Nachbarort wieder aufgeladen werden. Mit dem Stromzugang bekommen die Kinder einen geregelten Tagesablauf und genug Schlaf. Da geht es nicht mal um Wertschöpfung, sondern um die Grundlage, auf die man aufbauen kann. In dem Dorf, in dem wir aktuell arbeiten, bekommen drei Familien seit fast einem Jahr Strom Vor wenigen Wochen sind drei weitere Familien hinzugekommen. Im nächsten Ort sind es weitere fünfzehn Familien.

Warum unterstützt ihr einzelne Familien und nicht kommunale, gemeinschaftlich genutzte Orte?

Die Community Ansätze sind auf dem Land im Senegal noch deutlich ausgeprägter als bei uns hier in Deutschland. Die Menschen schaffen es gut, Sachen gemeinsam zu nutzen. Sie leben eigentlich das, was die BWLer in Deutschland Sharing Economy nennen. Wir sprechen auch nie einzelne Familien direkt an, sondern reden mit der Dorfgemeinschaft. Dort wird das Thema mit allen besprochen. Alle stimmen zu, dass sie unsere Förderung grundsätzlich haben wollen, und klären auch, welche Familien sie bekommen sollen. Die Leute im Dorf wissen schon, welche Familien sich den Strom zwar noch nicht leisten, aber gut gebrauchen können. Und wir wissen so, dass alle an Bord sind, und sich keiner auf den Schlips getreten fühlt.

Ursprünglich wolltet ihr mit Kleinbauern in Mali kooperieren, nun hatte euer Anbau-Partner im Senegal eine Missernte.

Das war natürlich kein guter Tag für mich. Die Farm, mit der wir kooperieren, arbeitet biologisch, und es stellte sich heraus, dass ein Parasit im Boden die gesamte Ernte zunichte gemacht hat. Da merkt man auch, dass nachhaltige Landwirtschaft komplexer ist. Langfristig ist es natürlich katastrophal, synthetische Pestizide zu verwenden. Aktuell benutzen wir spanische Chilis, um die Saucen herzustellen. Der Farmer im Senegal hat in der Zwischenzeit alles getan, um den Boden wieder nahrhaft zu machen. Dieses Jahr sieht es zum Glück gut aus mit der Ernte. Zwei Drittel sind sogar schon verarbeitet. Wir wollen aber noch dieses Jahr von spanischen auf afrikanische Chilis umstellen.

Was machen Social Businesses besser?

Mein Ziel ist natürlich auch, als Unternehmen zu wachsen, und nicht für immer ein kleines, chilliges Chili-Business zu bleiben. Aber als Social Business ist unser Erfolg mit einem Mehrwert für die Gesellschaft gepaart. Man muss auch ein bisschen Aktivist sein, um mehr in Kooperation statt in Wettbewerb zu denken. Social Businessessind sozusagen das Pendant zu den Einhörnern, von denen man in der Unternehmenswelt oft hört. Einhörner sind Unternehmen wie Lieferdienste, die mit einer Milliarde Dollar bewertet werden, und am Ende fragt man sich, welcher Wert eigentlich geschaffen wurde. Vielleicht wurde sogar mehr Schaden angerichtet. Social Businesses sind keine Einhörner, sondern Zebras. Es gibt einen schönen Artikel, der die Idee der Einhörner in der Start-Up-Welt den Zebras gegenüberstellt. Das Einhorn gibt es gar nicht, das Zebra ist ein echtes Tier, ein Herdentier. Man schaut auf das Zebra und sieht immer zwei Linien gleichzeitig, hell und dunkel, sozusagen das finanziell gewinnbringende Unternehmen und den sozialen Impact. Ökostromunternehmen sind auch Zebras. Im Moment haben über 600 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent keinen Zugang zu Strom. Ich weiß nicht, wie viele Milliarden Chilisaucen ich verkaufen müsste, um dem ganzen afrikanischen Kontinent Stromzugang zu ermöglichen. Naja – vielleicht, wenn Tabasco irgendwann mal mitmacht, dann könnte es was werden.

Das Gespräch führte Julia Broich

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