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Europäische UnionVerzicht auf russisches Gas ist möglich

Luftaufnahme eines Indsutriekomplexes umgeben von Wiesen, Feldern und Wäldern
Erdgasstation Baumgarten an der Marsch in Niederösterreich: Verteiler russischen Gases (Bild: C.Stadler/Bwag, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Österreich und Ungarn beziehen weiterhin riesige Mengen russischen Erdgases. In der EU wird über Gas-Sanktionen, auch per verschifften LNG, debattiert. Einer neuen Studie zufolge könnten die EU-Länder zeitnah auf russisches Gas verzichten.

28.05.2024 – EU-weit ist die Reduktion russischer Erdgasimporte seit Beginn des Krieges in der Ukraine in vollem Gange. Importierten die EU-Länder in den ersten beiden Quartalen 2021 noch 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland – vornehmlich über Pipelines – waren es in den ersten beiden Quartalen 2023 nur noch rund 10.5 Milliarden Kubikmeter. Angesichts des russischen Angriffskrieges, sei auch das noch zu viel, wie Politiker:innen, Energieexpert:innen und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen einmütig konstatieren.

EU-weit flammt die Debatte um neue Sanktionen gegenüber russischem Erdgas neu auf. So stehen vor allem Österreich und Ungarn im Fokus, die weiterhin riesige Mengen Erdgas aus Russland – auch über Pipelines importieren. Zudem die Lieferung von LNG, die auch in andere europäische Länder aus Russland heraus erfolgt. Es sind 34 Millionen Tonnen Flüssigerdgas, die seit Beginn des Krieges von Russland aus in EU-Häfen angeliefert oder in EU-Gewässern umgeladen wurden. Gas, dass auch nach Deutschland kommt.

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Andere EU-Staaten gehen noch weiter und importieren nach wie vor russisches Erdgas über Pipelines. Ungarn schloss im letzten Jahr neue Verträge mit Russland und bezieht rund 80 bis 85 Prozent seines Erdgases von dort. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban stellte sich von Beginn des Krieges an gegen russische Sanktionen. Aber auch ein scharfer Kritiker des russischen Angriffskrieges, wie Österreich, bezieht weiter einen großen Anteil seines Gases aus Pipelines aus Russland. im letzten Jahr schwankte der russische Gas-Anteil zwischen 43 und 98 Prozent.

Langfristige Lieferverträge sind das Problem, die auch Zahlungen vorsehen, sollte kein russisches Gas nach Österreich fließen. Durch staatliche Eingriffe will das von den Grünen geführte Energieministerium, den Anteil russischen Gases sukzessive reduzieren. Geschehen soll dies über eine sogenannte Diversifizierungspflicht, die zum Import auch aus anderen Ländern verpflichtet. Ende 2024 läuft zudem der Transitvertrag für russisches Pipeline-Erdgas mitten durch die Ukraine aus, durch die Österreich einen Großteil importiert. Angesichts des Krieges erscheint eine Verlängerung des Transits ausgeschlossen. Es könnte aber Ausnahmen für Österreich geben – Ausgang offen.

Verzicht auf russisches Erdgas ist möglich

Dass Österreich und die anderen EU-Länder grundsätzlich auf Gaslieferungen aus Russland verzichten könnten, zeigt eine Analyse des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und der Technischen Universität Berlin. Die Analyse fußt auf zwei möglichen Szenarien. „Im ersten Szenario erfolgt eine zeitnah beginnende Reduktion der globalen Erdgasnachfrage bis zum Jahr 2050, wie es in ambitionierten Klimaschutzszenarien zu erwarten wäre“, so die Autor:innen. Im zweiten Szenario könne die Erdgasnachfrage nur verzögert reduziert werden, bis sie 2050 ebenfalls auf null fällt. Das zweite Szenario weißt dabei in der Kurzfrist eine höhere Importabhängigkeit auf.

Zudem wurden die beiden Nachfrageszenarien mit unterschiedlichen Annahmen für die Verfügbarkeit russischen Erdgases in Europa kombiniert. Zum einen mit teilweise verfügbaren Pipeline-Kapazitäten und allen LNG-Kapazitäten, wie es aktuell der Fall ist. Zum weiteren mit einem kompletten Lieferstopp Russlands nach Europa – dem Sanktionsszenario. Und schließlich mit einem Szenario, das erhöhte Importe aus Russland annimmt (Vorkriegsszenario) – eine verstärkte Diversifizierung berücksichtigt. Alle Modellrechnungen aber würden zeigen: „dass bei leicht rückläufigem Verbrauch aufgrund ausreichend vorhandener Importkapazitäten und Erdgasmengen auf dem globalen Markt auch ein vollständiger Verzicht auf russisches Erdgas (Sanktionsszenario) für die EU möglich wäre“, so die Autor:innen der Analyse. Selbst bei einer kurzfristig höheren Importabhängigkeit könnte mehr LNG etwa aus den USA importiert werden.

US-Präsident Joe Biden verhängte indes im Februar ein Moratorium über mehrere geplante Flüssigerdas-Projekte. Diese sollen einer genaueren Überprüfung hinsichtlich ihrer Klima- und Umweltwirkung als auch ihres Bedarfs unterzogen werden. Es sind geplante und bestehende LNG-Exportterminals, deren Flüssiggas auch für Deutschland bestimmt ist. Das Bundeswirtschaftsministerium jedoch sieht keine Probleme in möglichen Lieferengpässen. „Der Terminmarkt ist bislang von der Entscheidung der US-Regierung nicht beeindruckt. Auf dem Weltmarkt für LNG gibt es unterschiedliche Länder, aus denen LNG angeboten wird“, so das BMWK auf Anfrage im Februar. Ein entsprechendes Moratorium für neue LNG-Projekte fordern Umweltschützer auch in Deutschland.

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Auch die Wissenschaftler:innen von DIW und TU Berlin betonen, dass zusätzliche Importkapazitäten in Europa aller Voraussicht nach nicht nötig seien. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin, konstatiert: „Mittel- und langfristig steuert die europäische Energiewirtschaft auf einen Erdgasausstieg zu. Der rasche Umstieg auf erneuerbare Energien ist nicht nur klimapolitisch sinnvoll. Er trägt auch maßgeblich dazu bei, bestehende Importabhängigkeiten und damit die vermeintliche Erpressbarkeit einiger europäischer Staaten zu verringern.“ mg

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